Kreis Viersen Roter Teppich für "Münte"

Kreis Viersen · Die SPD im Kreis Viersen rollte für einen ihrer Großen – zwar in die zweite Reihe getretenen, aber nach wie vor beliebten Politiker – den roten Teppich aus. Franz Müntefering stimmte gestern in Oedt auf die Landtagswahl ein.

Die SPD im Kreis Viersen rollte für einen ihrer Großen — zwar in die zweite Reihe getretenen, aber nach wie vor beliebten Politiker — den roten Teppich aus. Franz Müntefering stimmte gestern in Oedt auf die Landtagswahl ein.

Die Genossen haben sich Mühe gemacht. Auf den Stufen und im Eingang der Oedter Albert-Mooren-Halle leuchtet ein roter Teppich. Ein Empfangskomitee steht bereit, als Franz Müntefering pünktlich um 18.30 Uhr eintrifft. Er kommt nur mit einem persönlichen Mitarbeiter an seiner Seite, ohne Polizeischutz wie vor Monaten, als er noch Machtfülle besaß: Vizekanzler und Bundesminister in der Großen Koalition, Bundesparteivorsitzender der SPD war er.

Kämpferische Rede zur Wahl

Gestern Abend eilt der ranke 70-Jährige vom Parkplatz zur Oedter Halle, begrüßt Kreisparteichef Udo Schiefner aus Kempen, die beiden Landtagsabgeordneten und -kandidaten Monika Ruff-Händelkes (Viersen) und Uwe Leuchtenberg (Tönisvorst). Er wechselt ein paar Worte mit alten Gefährten wie dem früheren Bundestagsabgeordneten Walter Schöler, von dem er später erzählt, der sei sein Nachmieter in Bonn gewesen, oder wie der hochgeschätzten Genossin und ehemaligen Landtagsabgeordneten Marie-Luise Morawietz.

Die rund 130 Mitglieder im Saal begrüßen ihren "Münte" klatschend, nach seiner 50-minütigen, gewohnt kämpferischen und klaren Rede sogar stehend mit Applaus. Müntefering macht Mut. "Spucken wir in die Hände, um am 9. Mai den Wechsel in Nordrhein-Westfalen herbeizuführen." Das Land wolle nicht weiter "zerrüttgert" werden, spielt er mit dem Namen des Ministerpräsidenten der schwarz-gelben Landesregierung. Die SPD habe die Chance, durch einen intensiven Wahlkampf dafür zu sorgen, dass Rüttgers gehen müsse und ihre eigene Spitzenkandidatin Hannelore Kraft zum Zuge komme.

Die Chancen beurteilt Müntefering als riesengroß: "Es steht Spitz auf Knopf", findet er nach jüngsten Umfragen. Er zieht den Bogen von Düsseldorf nach Berlin, weist auf die strategischen Folgen des Wahlausgangs für die Mehrheiten im Bundesrat hin, macht einen Husarenritt durch die aktuellen Themen der Gesundheitspolitik, der Energie- und Atomkraftpolitik, der Kommunalfinanzen, attackiert die CDU und FDP in Sachen Mindestlöhne und Mittelkürzungen auf dem Arbeitsmarkt.

Alles setzt er unter die Prämisse: "Wir wollen den Sozialstaat als menschheitsgeschichtliche Errungenschaft solidarisch miteinander organisieren." Auf Hartz IV, auf die von ihm mit geprägten und stets verteidigten Reformgesetze geht er indessen nicht ein. Was soll er auch sagen, ohne sich selbst untreu zu werden, wenn hier der neue Vorsitzende Sigmar Gabriel in diesen Tagen eine Kehrtwende vollzieht? Die Kreis-SPD verabschiedet Münterfering mit einem Korb regionaler Spezialitäten und einer versilberten Eule: Er sammelt diese als klug geltenden Vögel.

Vier soziale Forderungen

Die Genossen machen sich an die Tagesarbeit. Sie verabschieden einmütig vier Anträge zu sozialen Fragen. Darin sprechen sie sich für die Einführung einen Mindestlohns von 8,50 Euro aus; sie fordern ein Höchstmaß an Zusammenarbeit der Arbeitsagentur und der Kommunen zugunsten der Arbeitssuchenden; sie wünschen die Einrichtung von haushaltsnahen sozialen Diensten, damit pflegebedürftige Menschen in ihrem Wohnumfeld bleiben können; sie erwarten eine höhere Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung für Hartz IV-Empfänger, um die Kreisfinanzen zu entlasten.

Zu diesem Zeitpunkt ist Müntefering schon zum nächsten Termin unterwegs.

(RP)
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