Ausstellung in Viersen Schöner Schein in Schwarz-Weiß

Viersen · Die neue Ausstellung im Viersener Salon in der Villa Marx gibt anhand des Nachlasses des Dülkener Fotografen Albert Breuer einen Einblick in die Kultur- und Sozialgeschichte der Fotografie im 19. Jahrhundert. Eröffnet wird die Schau am Sonntag.

 Der Heimatvereinsvorsitzende Dr. Albert Pauly (li.) und Henriette Janssen-Klaar zeigen zwei Fotos, auf denen die Kulisse des Fotografen Albert Breuer zu sehen ist. Für die Ausstellung malte Janssen-Klaar die Kulisse nach. Thomas Evers (links hinten auf der Leiter) und Boris Käller hängen sie gerade auf.

Der Heimatvereinsvorsitzende Dr. Albert Pauly (li.) und Henriette Janssen-Klaar zeigen zwei Fotos, auf denen die Kulisse des Fotografen Albert Breuer zu sehen ist. Für die Ausstellung malte Janssen-Klaar die Kulisse nach. Thomas Evers (links hinten auf der Leiter) und Boris Käller hängen sie gerade auf.

Foto: Busch

Die Taille schmal, das Gesicht faltenfrei. So kann eine Frau heute auf Fotos aussehen, auch wenn sie eigentlich ein bisschen mehr Bauch und ein paar Falten hat. Mit glatter Haut sieht sie sich lieber. Und sie möchte vor allem, dass andere sie so sehen. Also wird ein bisschen am Computer an dem Foto herumgebastelt, bis alles so ist, wie es sein soll. Besser als die Wirklichkeit.

Was werden andere von mir denken, die dieses Bild sehen? Wie will ich auf andere wirken? Diese Fragen stellten sich die Menschen vergangener Jahrhunderte auch. Der Maler malte die Prinzessin dann vielleicht ohne Schlupflider.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Fotografie aufkam, war die Begeisterung groß. Endlich war es möglich, ein realistisches Abbild der Welt zu schaffen. Viele Menschen wollten sich fotografieren lassen. Doch ganz so realistisch waren die Bilder nicht. Denn die Menschen präsentierten sich so, wie sie von anderen wahrgenommen werden wollten. Der Fotograf half mit Kulissen und Requisiten dabei, dem Betrachter des Bildes zu zeigen, welcher Gesellschaftsschicht der Porträtierte angehörte. Reich geschnitzte Möbel gibt es im Atelier des Fotografen, griechische Säulen, aber auch den Gartenzaun vor ländlicher Kulisse, um ein Kind frisch und natürlich zu zeigen. Ob die junge Frau, die auf einem Foto ein Buch in der Hand hält, tatsächlich gern las, wird der Betrachter des Bildes wohl nicht erfahren. Er sieht aber, dass die junge Frau gebildet wirken wollte oder sollte. Wer ein Buch hielt, machte Eindruck. Ein schöner Schein in Schwarz-Weiß.

 In einem Bereich des Viersener Salons wurde ein Wohnzimmer der Gründerzeit nachgebildet. Breuers Fotografien werden an die Wand gehängt.

In einem Bereich des Viersener Salons wurde ein Wohnzimmer der Gründerzeit nachgebildet. Breuers Fotografien werden an die Wand gehängt.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Wie man sich vor 150 Jahren in Szene setzte, zeigt die Ausstellung über die Fotografie der Gründerzeit am Niederrhein, die ab Sonntag im Viersener Salon des Vereins für Heimatpflege zu sehen ist. Anhand des Nachlasses des Dülkener Fotografen Albert Breuer (1839-1901) entwarf Helge Drafz ein Konzept für eine Ausstellung, die der Geschichte der Fotografie nachspürt. Das geht über das bloße Bildergucken weit hinaus - wenngleich der Betrachter sich kaum satt sehen kann an den Porträts der gestreng blickenden Ehepaare, der Kommunionkinder und Familien, der Damen mit hochgestecktem Haar, der Vereine und Bruderschaften.

Ein großer Unterschied zwischen Wirklichkeit und Abbildung ist auch die fehlende Farbe. Doch da hilft die Ausstellung der Fantasie auf die Sprünge: Eine Kulisse, die im Hintergrund vieler Breuer-Bilder zu sehen ist, vermittelt den Eindruck, der Porträtierte stehe in einem Schloss, vor prunkvoll bestickten Vorhängen. Diese Kulisse malte die Künstlerin Henriette Janssen-Klaar, die über Jahre die imposanten, detailreichen Kulissen fürs Dülkener Orpheum fertigte, nach Breuers Fotos. Die sind zwar schwarz-weiß, doch Janssen-Klaar half sich, indem sie Farben und Fliesen aus Häusern der Gründerzeit studierte. So malte sie für die Nachbildung von Breuers Atelier im Viersener Salon auch den Fliesenboden nach - und zwar farbig. "Wir stellen uns immer vor, dass alles dunkel war, sepiafarben oder schwarz-weiß", sagt Janssen-Klaar über die Gründerzeit, "aber das war nicht so. Da war Farbe. Viel Farbe."

Die Ausstellung im Viersener Salon in der Villa Marx, Gerberstraße 20, wird am Sonntag, 1. März, um 11 Uhr eröffnet. Nach einer Einführung ist Gelegenheit zu einem kleinen Imbiss. www.viersener-salon.de

(RP)
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