Viersen Sechs-Punkte-Plan zur Mietobergrenze

Viersen · Der Kreis Viersen reagiert mit einem Programm auf die anhaltende Kritik an der umstrittenen Neufassung der Mietobergrenzen für Bezieher von Sozialleistungen. Eine neue Berechnungsmethodik ist aber nicht vorgesehen

Ab morgen wird der Kreis Viersen eine Telefon-Hotline freischalten, an die sich verunsicherte Bezieher von Sozialhilfeleistungen wenden können. Unter der Rufnummer 02162 391605 soll ihnen Auskunft gegeben werden, welche konkreten Folgen die neu festgelegten Mietobergrenzen im Kreis Viersen für sie persönlich haben.

Die Telefon-Hotline ist ein Baustein in einem Sechs-Punkte-Plan, mit dem die Kreisverwaltung auf anhaltende Kritik an der Neufassung der Mietobergrenzen reagiert. Kreis-Sozialdezernentin Katarina Esser kündigte das Programm gestern nach rund zweistündiger Diskussion über die umstrittenen Obergrenzen im Kreis-Sozialausschuss an. Trotz massiver Kritik der Viersener Ausschuss-Mitglieder an der Methodik der neuen Mietobergrenzen soll die Berechnung aber beibehalten werden. Wie Viersens Sozialdezernent Paul Schrömbges im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt hatte, leben seit der Neufassung rund 600 Bezieher von Sozialleistungen in der Stadt Viersen in nicht angemessenen Wohnungen. Bis Ende 2018 gilt kreisweit Bestandsschutz; anschließend - so betonte Esser gestern noch einmal im Ausschuss - werde jeder Einzelfall genau geprüft. "Eine massenweise Kostensenkungsaufforderung - möglicherweise mit der Aufforderung zum Umzug - ist rechtlich nicht zulässig und wird weder vom Jobcenter noch vom Kreis und seinen Kommunen praktiziert." Zudem gebe es zahlreiche Ausnahmetatbestände, etwa bei Behinderung, bei schulpflichtigen Kindern oder falls es keine angemessene Ersatzwohnung gibt.

Weitere Punkte des Plans sind: Es soll eine Anhörung der Viersener Armutskonferenz geben. Deren Mitglieder - darunter Caritas und Diakonie - hatten die Kreisverwaltung Ende vergangener Woche aufgefordert, die Neuregelung zurückzunehmen. Der Kreis betreibe auf Kosten der Ärmsten der Armen Haushaltspolitik. Auch soll es ein Treffen mit den Wohnungsbaugesellschaften und fachlich zuständigen Ressorts geben, kündigte Esser an. Die VAB Viersen hatte angekündigt, Fördergelder zurückzugeben, da sich nach der Neuregelung der Bau von sozial gefördertem Wohnungsbau nicht mehr lohne. Weiterer Punkt des Programms: Gemeinsam mit der Stadt Viersen bildet der Kreis eine Kommission, die die befürchteten Auswirkungen wie Obdachlosigkeit, Leerstandsentwicklung und Bildung von Ghettos in den Blick nimmt. Und: Die Mietobergrenzen sollen entsprechend der Dynamik des Wohnungsmarktes weiterentwickelt werden. Letzter Punkt: Über die Auswirkungen wird der Kreis-Sozialausschuss regelmäßig informiert.

Essers Ankündigung war eine scharfe Debatte vorausgegangen. Martina Maaßen (Grüne) kritisierte die Berechnungsmethodik (siehe Info-Box), da sie die Leistungsbezieher in Viersen benachteilige. "Es ist nicht eindeutig begründet. Es kann nur das Argument sein: Es sind die Kosten." Sie wollte von der anwesenden Referentin von Empirica - das Unternehmen hatte das Gutachten entwickelt, auf der die Neuberechnung des Kreises fußt - wissen, ob die kalten Nebenkosten auch gebietsschärfer ermittelt werden könnten." Antwort: "Ja, man kann es anders machen." Grundsätzlich dürften sogar die deutlich höheren deutschlandweit ermittelten Nebenkosten des Deutschen Mieterbundes herangezogen werden. Sie lägen laut dem jüngsten Betriebskostenspiegel bei 1,93 Euro pro Quadratmeter. Britta Pietsch (Die Linke) korrigierte: "Laut dem jüngsten Betriebskostenspiegel liegen sie bei 2,08 Euro." Stephan Sillekens (CDU) hinterfragte, ob tatsächlich ausreichend Wohnungen für Bezieher von Sozialleistungen zur Verfügung stehen. "Nie hatten unsere Wohnungsgesellschaften so wenig Leerstand. Wir sind in einer verrückten Situation: Wir müssen neue Wohnungen schaffen, die Wohnungsgesellschaften wollen bauen und dürfen sie wegen der Mietobergrenze nicht vermieten." Michael Aach (CDU) forderte die Kreis-Sozialdezernentin auf, die Berechnungsgrundlage zu ändern: "Das jetzige System passt nicht. Es muss weiterentwickelt werden."

Irene Wistuba (FDP) warf Viersens Sozialdezernent vor, Angst geschürt und bewusst falsche Fakten verbreitet zu haben. Martina Maaßen wies den Vorwurf zurück: "Dies ist sehr abwegig. Es wäre sinnvoll gewesen, der Kreis hätte die Kommunen bei dem Thema frühzeitig an einen Tisch geholt."

(mrö)
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