Steinkäuze in Viersen Selten, schön und mystisch

Viersen · Es ist fünf Jahre her, dass eine nicht alltägliche Begebenheit bei Christopher Kuhs eine Neugier weckte, die bis heute anhält.

Steinkäuze - selten, schön und mystisch
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Der Zufall spielt manchmal eine große Rolle: Der Inrather Christopher Kuhs sieht aus dem Fenster seiner Wohnung und entdeckt einen jungen, kleinen Greifvogel. Er meldet das dem Umweltzentrum. Dort tagen gerade die Mitglieder der ornithologischen Gruppe Krefeld. Der Kontakt mit den richtigen Leuten ist geschlossen. Kuhs geht direkt mit, um Nistkästen zu kontrollieren. Dabei finden sie Gewölle - so genannte Speiballen aus Knochen, Haaren, Zähnen und anderen unverdaubaren Bestandteilen der Beute, die unter anderem der nur etwa 20 Zentimeter große Steinkauz herauswürgt. Experten können mit dem unappetitlichen Haufen eine Menge anfangen. Mit wissenschaftlichen Methoden erfahren sie einiges über die Beutetiere und die Eulen selbst.

Kuhs ist kein Freund großer Worte. So etwas wie Schicksal würde er die Vorgänge in 2011 nie nennen. Und doch hätten sie auf ihre Art sein Leben verändert. Sie haben sein Interesse am Steinkauz, an der Umwelt, an der Natur und die großen und kleinen Zusammenhänge geweckt. Kuhs formuliert vorsichtig, wenn er über seine private Forschungsarbeit über den Steinkauz in Krefeld erzählt. Auf einer Streuobstwiese zwischen Traar und Verberg hat er die meist nachtaktiven Jäger entdeckt und sie seitdem mit Fotoapparat, Videokamera und Richtmikrofon begleitet.

Die genaue Örtlichkeit will der 32-Jährige nicht verraten. Er fürchtet, dass die Tiere gestört werden. Er selbst geht mit allergrößter Sorgfalt und Zurückhaltung vor, um seine Erfahrungen zu sammeln. Üblicherweise macht er seine Fotos aus 40 Metern Entfernung. Mit Glück kommen die Steinkäuze auch auf zehn Meter heran. Und als ein Vogel einmal nur 50 Zentimeter vor seinem kleinen Beobachtungszelt stand, vergaß er fast zu atmen. "Jede noch so kleine Bewegung, jedes noch so kleines Geräusch hätte den Steinkauz vertreiben können", sagt er. Kuhs holt stets alle notwendigen Genehmigungen ein, um beobachtend und dokumentierend aktiv zu werden. Er spricht zuvor mit den Grundeigentümern, den Naturschutzverbänden und den Behörden.

"Ich bin kein Steinkauz-Junky, Freak oder Eulen-Verrückter", betont der Inrather. "Ich bin jemand, der Spaß daran hat, die Natur zu erleben und als Naturfotograf dabei auf den Kauz gekommen." Seine Recherchen betreibt er mit Akribie und großer Beharrlichkeit. Rückschläge inbegriffen. Sein Beobachtungszelt wurde beispielsweise bei einem Pfingststurm durch einen herabfallenden Ast zerstört. Man stellt nicht einfach ein Zelt auf. Farbe, Größe, die Öffnungen fürs Objektiv, alles muss stimmen, damit die Tiere sich nicht gestört fühlen und die Tarnung funktioniert. Kuhs hat im Vorfeld rund 300 Stunden damit verbracht, entsprechendes Wissen aus dem Internet, aus Büchern und aus Gesprächen mit Fachleuten zu sammeln. All zuviel war nicht zu finden, diesbezügliche Informationen sind Mangelware, werden von den Naturfotografen wie ein Geheimnis gehütet.

Der Lebensraum der Steinkäuze wird knapper. Sie benötigen ein Jagdrevier mit kurzer Vegetation und Beobachtungsposten und Nistplätzen in Obstbäumen und Kopfweiden. Als kleine Vögel fressen sie kleine Beutetiere wie Insekten und Regenwürmer, aber auch Feldmäuse und bisweilen Singvögel. Ihre natürlichen Feinde sind Marder, aber auch die anderen größeren Eulenarten. Sie scheuen sich nicht, ihre kleinen Verwandten zu schlagen und zu verspeisen.

Der Bestand ist gefährdet, weil die Lebensbedingungen immer schlechter werden. Nistkästen sind eine wichtige Bruthilfe. Kuhs beteiligt sich an der Weiterentwicklung der viereckigen Kästen, die in den Bäumen angebracht werden sollten. Der Naturschutzbund in Willich mit seinem Spezialisten Harry Abraham ist Vorreiter auf dem Gebiet. Der im Nistkasten eingebaute Marderschutz entwickelt sich manchmal zur Falle für die jungen Steinkäuze. Die angebrachten Sperren am Stamm hindern zwar Katzen und Marder effektiv am hinaufklettern, aber die bei ersten Flugversuchen vom Ast gestürzten Jungtiere ebenfalls. "Sie sind eher tollpatschig und weitsichtig", sagt Kuhs.

Von einem Wurf aus durchschnittlich vier Tieren überleben meist nur ein bis zwei. Statistisch betrachtet überlebt nur jedes dritte bis zur Brutreife im Alter von zehn Monaten. Den Hobbyfotografen, der später vielleicht einmal ein Buch über seine Beobachtungen schreiben möchte, interessieren ganz besonders die Ruflaute der Steinkäuze. Was hat welcher Ruf zu bedeuten, und wie unterscheiden sie sich. Der technikbegabte Ehrenamtler setzt ein geeignetes Richtmikrofon ein und nimmt die Laute auf, um sie anschließend zu analysieren. Kuhs' Steinkauzmonitoring mit einer Wildkamera, die auch nachts aufzeichnet, hat Erstaunliches ans Licht gebracht. "Es war zu sehen, welche Vögel und Säugetiere sich noch in diesem Habitus aufhalten, und was die Eule alles an Nahrung findet.

Das komplette Monitoring unterstrich, welch große Bedeutung dem Raum vor dem Eingang zum Nistkasten zukommt. "Früher zeigte die Öffnung vom Baustamm weg, damit der Kauz sie direkt anfliegen konnte", berichtet der 32-Jährige. Die Beobachtungen hätten jedoch gezeigt, dass dies für den Altvogel keinerlei Bedeutung hat. Für Jungvögel seien Nisthilfen, deren Öffnung vom Stamm weg zeigten, ein riesiges Hindernis beim Versuch, sich in Sicherheit zu bringen, sagt er.

Der Inrather kann interessant und fundiert erzählen. Vom geräuschlos fliegenden, gut getarnten Greifvogel der stillen Sorte. Mit seinem braun, karamell bis sandfarbenem Gefieder mit den weißen Sprenkeln ist er oft nur für das geübte Auge zu erkennen. Hinzu kommt, dass sich der Steinkauz manchmal minutenlang nicht bewegt.

Dann wiederum erscheint es so, als ob die kleine Eule Grimassen schneidet. Sie kann ihren Gesichtsschleier verändern, der wie ein Parabolspiegel wirkt. Im Kopf, den sie 270 Grad in beide Richtungen drehen kann, sitzen große starre Augen und zwei asymmetrisch angebrachte Ohren, die einen Regenwurm hören können, der gerade aus der Erde gekrochen kommt.

Kuhs ist von den Vögeln fasziniert, die schon so lange mit der Kultur des Menschen verstrickt sind. Im deutschen Volksaberglauben galt insbesondere der Steinkauz als Todesverkündiger. Dass der Steinkauz früher als Unglücksbote galt, mag mit den Umständen zusammenhängen, unter denen sein Ruf wahrgenommen wurde. Denn damals waren nur die Zimmer kranker oder sterbender Menschen beleuchtet. Ihr Licht lockte Insekten an die Fenster der Krankenzimmer, und diese wiederum zogen jagende Steinkäuze an.

Kuhs pflegt einen Blog zum Thema Steinkauz. Er ist im Internet unter der Adresse www.photographicx.de/tag/steinkauz-krefeld zu finden.

(sti)
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