Brüggen So barrierefrei ist Brüggen schon

Brüggen · Wir waren mit dem Behindertenbeauftragten Karl-Heinz Kellerhoff mit dem Elektromobil in der Altstadt unterwegs.

Karl-Heinz Kellerhoff ist seit mehr als fünf Jahren Behindertenbeauftragter der Gemeinde Brüggen. Zusammen mit seiner Kollegin Andrea Hanisch vertritt er die Interessen von Menschen mit Behinderung. Davon gibt es in der Burggemeinde inzwischen mehr als 1000, und die Tendenz steigt. Denn der demografische Wandel hat nicht nur zur Folge, dass das Durchschnittsalter höher wird, sondern es auch immer mehr Menschen mit körperlichen Einschränkungen gibt. Wir waren in der Brüggener Altstadt unterwegs, um zu sehen, wie gut Brüggen schon vorbereitet ist. Fünf Baustellen fielen dabei ins Auge.

Baustelle 1 - "Engpass": "Die Arbeit mit der Gemeinde klappt hervorragend", sagt Kellerhoff. Trotzdem hat er ab und an noch Grund zu schimpfen: "Hier wird es dann schwer, das erkennt ja schon der Laie." Mit dem Elektromobil möchte er vom Rathausvorplatz zum Behindertenparkplatz fahren, der gleich rechts neben Burg Brüggen liegt. Dazu muss er am Restaurant "Alte Brüggener Mühle" am Burgwall vorbei. Leichter gesagt als getan, denn Platz ist für Menschen im Rollstuhl nur wenig. Zum einen stehen an der Straßenecke Blumenkübel, ein Stück weiter versperren ein Gaststättenschild und eine Laterne den Weg. Kellerhoff muss mit seinem Mobil einen engen "Kamm" meistern. Verschätzt er sich dabei bloß um wenige Zentimeter, droht er, auf die Straße zu kippen.

Baustelle 2 - "Sturzgefahr": Kellerhoff steht vor der Treppe am Rathaus. Mal ganz davon abgesehen, dass er mit seinem Elektromobil dort sowieso nicht hinaufkommt und erst einmal um das Gebäude herumfahren muss, wo vor kurzem ein neuer Aufzug installiert wurde, sei die Treppe viel zu gefährlich, klagt er. Dann greift er in die Tasche und holt eine Brille heraus. Keine ganz normale, sondern eine, die eine Sehstärke von 50 Prozent nachahmt. So schlecht wie mit dieser Brille sehen viele Senioren. Mit dem Gestell auf der Nase verschwimmen die Treppenstufen zu einem Einheitsbrei. "Die Stufen müssten dringend gekennzeichnet werden, aber das ist schwierig, weil das Haus unter Denkmalschutz steht" , sagt der Behindertenbeauftragte. "Außerdem fehlt ein Geländer." Für ältere Menschen besteht hier Sturzgefahr.

Baustelle 3 - "Orientierungslos": Es geht weiter, und zwar zur schönen Brüggener Burg, die viele Fremde anzieht. Dort ist auch das Infozentrum für Touristen. Wer dorthin will, muss eine Treppe hinauf - für Rollstuhlfahrer ist das unmöglich. "Es gibt einen Aufzug im Haus, aber keiner weiß das, weil ein entsprechendes Schild fehlt", sagt Kellerhoff, der auf das grüne Schild am Eingang deutet. Rechts daneben führt eine verwinkelte Rampe in den Keller des Gebäudes. "Da geht es zum Aufzug", sagt Kellerhoff. "Aber bringen tut das nun einmal nur dem was, der auch davon weiß."

Baustelle 4 - "Auf offener Bahn": Wer mit dem Rollstuhl vom Ortskern über den Burgwall in Richtung Klimp will, der muss sich auf offenes Terrain begeben. Denn ein Bürgersteig fehlt hier. Das heiß: Rollstuhlfahrer müssen über die Straße fahren. "Hier ist Tempo 30, aber Sie wissen ja selber, wie sehr sich die Leute daran halten", sagt Kellerhoff. Gefährlich ist die Strecke für Rollstuhlfahrer aber selbst dann, wenn kein Auto über die Straße fährt. Denn am Ende der Steigung liegt ein Geschwindigkeitsbegrenzungs-Hügel. Auch da können schwächere Menschen gerne mal aus dem Gleichgewicht kommen und stürzen.

Baustelle 5 - "Gut gemeint": Was Kellerhoff, auch wenn er das nicht sagt, vielleicht am meisten fuchst, sind die Problemstellen, die vermeidbar sein könnten. Zum Beispiel habe ein Gastronom im Ortskern eine behindertengerechte Toilette geschaffen - der Eingang in das Gebäude sei allerdings nicht barrierefrei. "Ein anderer hat einen barrierefreien Eingang, aber die Toiletten sind im Keller", sagt der Behindertenbeauftragte.

Unser Fazit: Im Rathaus wurde ein Aufzug installiert. Darauf weist vor dem Rathaus ein Schild hin. Nicht weit davon gibt es eine behindertengerechte Toilette, die sogar alarmgesichert ist. Die Bordsteine in der Altstadt sind vielerorts abgesenkt, so dass Rollstuhlfahrer auch dort hinaufkommen. Das heißt: Vieles ist schon gut in der Altstadt, aber es gibt noch Baustellen. Die Burggemeinde ist jedoch auf einem guten Weg.

(RP)
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