Fußball Von der Erosion des Viersener Kaders

Viersen · Fußball-Landesligist 1. FC Viersen befindet sich einer Krise. Innerhalb von nicht einmal sechs Monaten mussten zwei Trainer gehen, die jüngsten Ergebnisse sind desaströs. In den vergangenen Jahren wurde der Kader stark verjüngt, wahrscheinlich zu stark.

 Korbinan Beckers (r.) ist einer der wenigen erfahrenen Spieler, die noch im Kader des Fußball-Landesligisten 1. FC Viersen verblieben sind. Aber auch mit ihm kassierten die Viersener am Sonntag gegen Meerbusch eine 0:5-Pleite.

Korbinan Beckers (r.) ist einer der wenigen erfahrenen Spieler, die noch im Kader des Fußball-Landesligisten 1. FC Viersen verblieben sind. Aber auch mit ihm kassierten die Viersener am Sonntag gegen Meerbusch eine 0:5-Pleite.

Foto: Tom Ostermann

Die Verantwortlichen und die Anhänger des Fußball-Landesligisten 1. FC Viersen benötigen derzeit wirklich ein dickes Fell. In den zurückliegenden drei Partien, die innerhalb von einer Woche im Niederrheinpokal und in der Meisterschaft über die Bühne gingen, lautet die verheerende Bilanz: kein Sieg und 0:16 Tore. Hinzu kamen in dieser Zeit die Turbulenzen rund um die Trennung von Trainer Steve Jäck und die Umbesetzung von Daniel Saleh vom Sportlichen Leiter zum neuen Coach.

Dass es dem 33-Jährigen, der zuvor viele Jahre erfolgreich bei der DJK/VfL Giesenkirchen gearbeitet hatte, innerhalb von zwei Trainingstagen kaum gelingen konnte, aus der völlig verunsicherten Truppe die von ihm im Vorfeld beschworene Einheit zu formen, war nicht wirklich eine Überraschung. Zumal sein Premierenspiel in Gestalt des ambitionierten Oberliga-Absteigers TSV Meerbusch gleich eine der größtmöglichen Prüfungen in der Liga bereithielt. Dennoch kam der Auftritt der Viersener bei 0:5-Schlappe einem Offenbarungseid gleich. Insbesondere in der ersten Spielhälfte war nicht zu erkennen, dass der Ernst der Lage bei den meisten Spielern angekommen ist. In welch kritischer Lage die Viersener mittlerweile angekommen sind, zeigt eine Äußerung von Daniel Saleh nach der Meerbusch-Pleite. "Wir müssen gucken, dass wir in eine Aufwärtsspirale kommen, wir brauchen positive Ergebnisse. Am besten schon im Pokal gegen Kleinenbroich."

Gemeint hat er damit die heutige Partie im Achtelfinale des Kreispokals (Anpfiff 19.30 Uhr) beim A-Ligisten Teutonia Kleinenbroich. Eine solche Partie gegen einen mit Blick auf die Historie beider Klubs - die Kleinenbroicher mögen den Begriff verzeihen - Fußballzwerg hat also inzwischen Einfluss auf die Zukunft des einst so glorreichen 1. FC Viersen. Und der Ausgang ist auch noch ungewisser denn je, denn die Kleinenbroicher sorgen derzeit in ihrer Liga unter Trainerroutinier Norbert Müller für Furore. Doch ganz unabhängig vom Ergebnis der Pokalpartie steht am kommenden Sonntag die nächste Stolperfalle im Spielplan. Es geht zum aktuellen Tabellenführer Union Nettetal, der über eine vergleichbare Offensivpower wie Meerbusch verfügen dürfte.

Bei der Suche nach den Gründen für die aktuelle Misere hilft ein Blick in den Winter der Saison 2015/2016, als durch den Weggang dreier Spieler die Erosion des Viersener Landesligakaders einsetzte. Eine Erosion, die dazu geführt hat, dass die Mannschaft heute eher zusammengewürfelt denn gezielt zusammengestellt wirkt. Im Sommer 2016 machten die FC-Verantwortlichen aus der Not eine Tugend und läuteten, damals auch noch unter Mitarbeit des inzwischen entlassenen FC-Urgesteins Willi Kehrberg, einen neuen Jugendstil ein. Damals gab es aber auf dem Papier noch eine Achse von erfahrenen Spielern wie etwa Yannick Meurer, Simon Hetterle, Eike Broens, Korbinian Beckers, Dennis Homann und Holger Jansen. Hinzu kam noch ein aus Gladbach geholter Hoffnungsträger wie Dennis Richter, der allerdings die Hinserie verletzt fehlte. Dass auch andere als Leistungsträger vorgesehene Spieler aus unterschiedlichen Gründen lange fehlten, führte dazu, dass das Team nicht in Tritt kam und Willi Kehrberg kurz nach der Winterpause gehen musste. Dass dann unter Steve Jäck die Klasse doch noch gehalten wurde, verklärte offenbar den Blick. Es gelang jedenfalls nicht, den zu diesem Zeitpunkt einigermaßen zusammengewachsenen Kader zusammenzuhalten, sondern es folgte der nächste radikale Umbruch. Während weitere Erfahrung verloren ging, kamen hauptsächlich Perspektivspieler. Steve Jäck, dem die FC-Verantwortlichen zwar für die erfolgreiche Mission Klassenverbleib dankten, ihm aber ein verheerendes Abschlusszeugnis ausstellten, scheiterte als Frischling im Trainergeschäft an dem Umbruch noch früher als sein Vorgänger Willi Kehrberg.

Dass es die Viersener Verantwortlichen in so mancher stillen Stunde schon bereut haben, sich von einem charakterlich einwandfreien Fußballexperten dieser Güteklasse getrennt zu haben, ist nicht unwahrscheinlich. Auch wenn es mit Kehrberg tatsächlich in die Bezirksliga gegangen wäre, wäre es ihm zuzutrauen gewesen, den jungen Kader dort in Ruhe weiterzuentwickeln und einen schlagkräftige Truppe für die nächsten Jahre aufzubauen. Die Aufgabe, die Mannschaft zunächst einmal wettbewerbsfähig zu machen, hat jetzt unter dem höheren Druck der Landesliga Daniel Saleh. Eine Aufgabe, um die er wahrlich nicht zu beneiden ist.

Kreispokal Neben dem 1. FC Viersen spielte heute auch noch die Concordia, die um 20 Uhr Landesligist Odenkirchen erwartet. Morgen empfängt Landesligist ASV Süchteln den Ligakonkurrenten 1. FC Mönchengladbach.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort