Viersen Stadt Viersen will keine "nette Toilette"

Viersen · Das Konzept sieht vor, dass jeder die WCs von Gaststätten kostenlos benutzen darf. Die Verwaltung hält das nach einer Prüfung nicht für sinnvoll und will es nicht weiter verfolgen. In der Politik regt sich jedoch Widerstand

Viele Fußgänger kennen das. Man läuft durch die Innenstadt, schaut in die Schaufenster und plötzlich kommt die Notdurft. Das Problem: Die nächste öffentliche Toilette ist nicht in der Nähe, abgeschlossen oder verdreckt. Helfen könnte da das WC des nächsten Eiscafés - einige Gastronomen aber verlangen eine Benutzungsgebühr von Leuten, die zwar die Toilette benutzen, aber nichts verzehren möchten. Das Projekt "Nette Toilette" setzt genau dort an. Gastronomen, die an der Aktion teilnehmen, stellen auch Nicht-Kunden ihre Toiletten gratis zur Verfügung. Eine angenehme Lösung - in Viersen aber wird es sie vorerst nicht geben.

Im Wirtschaftsförderungsausschuss hatte die SPD im Februar den Antrag gestellt, die Verwaltung solle prüfen, ob das auf Freiwilligkeit basierende System auch in Viersen eingeführt werden könnte. Mit einer Enthaltung und einer Gegenstimme wurde der Beschluss damals von den Fraktionen angenommen, die Stadt prüfte die Umsetzbarkeit - und kam nun zu dem Schluss, das Thema nicht weiter verfolgen zu wollen.

In der Beschlussvorlage, die in der kommenden Sitzung des Ausschusses am 27. Juni beschlossen werden soll, legt die Verwaltung die Gründe für diese Entscheidung dar. So habe eine stichprobenartige Befragung von teilnehmenden Gastronomen unter anderem in Düsseldorf ergeben, dass sich diese etwa über die starke Verschmutzung der Toiletten beschwert hätten. Diese sei nicht zwingend von der Frequenz, sondern von der Klientel abhängig, die das Angebot annehme. Stichproben nahm die Stadt auch in Viersen selbst: Dort befragte sie unter anderem einen Gastronom in der Innenstadt. Dieser habe sich aufgrund einer anzunehmenden hohen Verschmutzung der Toiletten und einem verbundenen Reinigungsaufwand gegen das Konzept "Nette Toilette" ausgesprochen. Er wolle weiterhin Fußgängern den Gang zu seiner Toilette nicht verwehren, sich aufgrund von Unannehmlichkeiten wie etwa benutzten Spritzen auf der WC-Anlage aber das Recht vorbehalten, Menschen den Gang zur Toilette zu verwehren - das sei mit dem neuen Konzept jedoch nicht möglich.

Die Stadt weist darauf hin, die Gastronomen signalisierten, ihre Toiletten in Ausnahmefällen für Passanten kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Neben den wenigen für das Projekt aufgeschlossenen Gastronomen führt die Stadt auch den Kostenaufwand gegen die "Nette Toilette" an. So seien etwa keine neuen Standorte für öffentliche Toiletten geplant, durch deren Wegfall Kosten eingespart werden könnten, um die fälligen Reinigungszuschüsse für die Gastronomen zu mitzufinanzieren. Die Verwaltung rechnet zudem an einem Annahmebeispiel vor, dass allein die Kosten für die Nutzungsrechte und der Werbekosten für die "Nette Toilette" bei rund 3500 Euro lägen. Da derzeit jedoch keine möglichen Einsparungen, etwa durch Verzicht auf einen Toilettenneubau, zu erkennen seien, müssten die Werbekosten sowie die monatlichen Reinigungszuschüsse zusätzlich aufgebracht werden.

Das nächste Rechenbeispiel der Stadt zeigt: Gäbe es zehn teilnehmende Betriebe aus der Gastronomie oder dem Handel, müssten demnach pro Jahr 9000 Euro Zuschüsse an die Betriebe gezahlt werden. Statt das Konzept weiter zu verfolgen, regt die Stadt an, das Citymanagement solle bei den Ortsgesprächen des Werberings für die Grundidee der kostenlos zugänglichen Toiletten werben - jedoch ohne das systematisierte und mit Kosten verbundene Konzept der "Netten Toilette".

Für die SPD ist das Thema mit der Beschlussvorlage noch nicht beendet, wie Ausschussmitglied Ulf-Alexander Hippel sagt. Er habe das Gefühl, die Stadt habe nach einem Grund gesucht, das Thema "zu Grabe zu tragen." In Bad-Salzuflen, wo er das Konzept entdeckt habe, funktioniere es gut. Die Toilettensituation in Viersen sei seit Jahren schwelendes Thema, die "Nette Toilette" ein guter Lösungsansatz - auch deshalb werde seine Fraktion der Beschlussvorlage voraussichtlich nicht zustimmen.

Auch bei der CDU hat man das Gefühl, die Stadt habe nach einem Grund gesucht, das Thema nicht weiter zu verfolgen, wie Fraktionsvorsitzender Stefan Sillekens sagt. Die Union sei der Anregung der SPD gefolgt, da sie sich auch schon mit dem Thema beschäftigt habe: "Wir sind in Viersen schlecht aufgestellt, was die Toiletten angeht", sagt er. Er wolle seinen Parteikollegen sagen, "dass wir in der Sache nachbohren sollten."

(tsp)
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