Viersen Süchtelner sammelt für Stolpersteine

Viersen · Uwe Micha möchte in Süchtelns Ortskern 27 Gedenktafeln für Opfer des Holocaust verlegen lassen. Dafür braucht er 3240 Euro

 Uwe Micha vor dem Haus, in dem bis 1942 die Familie Lifges lebte. Stolpersteine sollen dort bald an Jakob, Sophia, Sara und Senta erinnern.

Uwe Micha vor dem Haus, in dem bis 1942 die Familie Lifges lebte. Stolpersteine sollen dort bald an Jakob, Sophia, Sara und Senta erinnern.

Foto: Busch

Vor einer weißen Hausfassade in Sichtweite des Weberbrunnens bleibt Uwe Micha stehen. "Da oben vom Balkon soll in der Reichspogromnacht ein Klavier herunter geworfen worden sein", sagt der Süchtelner und zeigt auf einen schmalen Vorsprung. Woher er das weiß? "Das erzählt man sich so", sagt er. Vielleicht hat er es aber auch irgendwo gelesen. Denn der 53-Jährige liest viel über seine Heimat, und er beschäftigt sich mit der Geschichte der Opfer des Holocaust, die in Süchteln gelebt haben. Um an sie zu erinnern, möchte er dort 27 Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegen lassen. Doch dafür braucht er noch Geld.

Demnigs Gedenktafeln aus Messing sind nicht nur in Deutschland in Bürgersteine eingelassen, sondern zum Beispiel auch in Frankreich, Griechenland und Polen. Dem Künstler ist es wichtig, dass sie möglichst vor dem letzten selbstgewählten Wohnhaus der Opfer des Nationalsozialismus verlegt werden. Stolpersteine gibt es bereits in Viersen, in Dülken, auf dem Gelände der LVR-Klinik in Süchteln - aber nicht im Süchtelner Ortskern.

Vor dem weißen Haus in Sichtweite des Weberbrunnens, an der Hochstraße 39, könnten bald vier Stolpersteine liegen. Die jüdische Familie Lifges hat dort früher gelebt. Im Sommer 1942 wurden Senta Baum-Lifges, Jakob, Sophia und Sara Lifges deportiert. Michas Recherchen haben ergeben, dass sie wenige Wochen später in Konzentrationslagern ermordet wurden. Jakob Lifges war damals 73 Jahre alt, "ein Mitglied des Süchtelner Heimat- und Verschönerungsvereins", erzählt Micha. "Das waren Mitbürger, das waren unsere Mitmenschen. Sie hatten keine Chance, ihr Leben hier zu Ende zu leben und auf dem jüdischen Friedhof beerdigt zu werden", sagt er. Wenn es für sie schon keine Grabsteine gibt, dann sollte ihrer doch zumindest mit den Stolpersteinen gedacht werden.

In Datenbanken und Archiven hat Micha seine Informationen zusammengesucht, "vieles ist unklar und verwirrend", sagt der Krankenpfleger. Zu zwölf Süchtelnern, die deportiert wurden, konnte er den letzten Wohnsitz nicht ermitteln. "Ich schlage vor, dass man die Stolpersteine in der Nähe der Gedenktafel der ehemaligen jüdischen Synagoge an der unteren Hindenburgstraße verlegen lässt", sagt er. Möglich sei es auch, sie vor einem öffentlichen Gebäude wie dem Süchtelner Rathaus zu verlegen. Seinem Plan, Stolpersteine nach Süchteln zu holen, hat der Stadtrat bereits zugestimmt. Wo der passende Platz für jene zwölf Steine ist, entscheide die Stadt, erläutert der erste Beigeordnete und Kulturdezernent Paul Schrömbges: "Das muss man in Ruhe durchdenken, wir werden dazu auch die Süchtelner Ratsmitglieder fragen."

Zuerst muss Micha aber Geld zusammenbekommen. Er hat die Facebook-Gruppe "Initiative Stolpersteine für Süchteln" gegründet, der Süchtelner Heimat- und Verschönerungsverein sammelt zweckgebunden für ihn Spenden. "Wir brauchen 3240 Euro", sagt Micha. Etwas mehr als 600 Euro davon hat er schon.

Info Gedenkgottesdienst zur Reichspogromnacht "Stolpersteine - dem Vergessen in den Weg gelegt" heute, 9. November, 19 Uhr in der Evangelischen Christuskirche an der Martin-Luther-Straße in Dülken.

(RP)
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