Viersen Über das Schreiben Gott erfahren

Viersen · Zehn Jahre hat der ehemalige Kantor Hans Wilhelm Hoff benötigt, um die Bibel einmal abzuschreiben. Was für andere eine Pilgerfahrt ist, war für ihn die handschriftliche Kopie, um tiefer in das Wort Gottes einzudringen.

 Hans Wilhelm Hoff vor den Büchern mit seiner handschriftlichen Kopie der Bibel. Die ersten zwölf Bände beinhalten nur das Alte Testament.

Hans Wilhelm Hoff vor den Büchern mit seiner handschriftlichen Kopie der Bibel. Die ersten zwölf Bände beinhalten nur das Alte Testament.

Foto: Busch

Als nach zehn Jahren das Werk vollbracht war, setzte Hans Wilhelm Hoff nicht etwa wie mit einem Fanfarenstoß selbstzufriedener Verkündigungslust seinen Namen unter die letzte handgeschriebene Zeile auf der Seite 3260. Hoff schrieb vielmehr "Deo Gratias.". Wäre es nach Hans Wilhelm Hoff gegangen, hätte niemand außer seiner Ehefrau, seinen Kindern und Enkeln davon erfahren, welche Unikate seit nunmehr gut einem Jahr im Bücherregal daheim in der Viersener Löhstraße stehen: 18 Bände Abschriften der Bibel, das Resultat von Vor- und Nachmittagsarbeit, begonnen 2004 und beendet am 25. August 2014. Die Bände 1-12 beinhalten das Alte, der Rest das Neue Testament mit den Evangelien.

Ehefrau Maria und vor allem der älteste Sohn Gregor, Thelogieprofessor in Salzburg, überzeugten den Ehemann und Vater schließlich davon, dass er sein Licht nicht unter den Scheffel stellen möge.

Hoff, wahrlich der sprichwörtliche bescheidene Arbeiter im Weinberg des Herrn, vergleicht sein Tun mit einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg: langwierig, anstrengend, doch am Ende erfüllend. So wie ein Pilger ging er mit seiner höchstpersönlichen Bibel-Arbeit Schritt für Schritt vor, streng chronologisch. Auf einem Notenständer lag eine Großausgabe der Heiligen Schrift. Daneben schrieb Hoff mit seiner eigentümlich kleinen, akkuraten Handschrift Zeile um Zeile mit schwarzem Tuschestift auf weißes Papier. Er erklärt sein außergewöhnliches Bibel-Projekt so: "Ich war fasziniert von der Idee, dieses großartige Werk einmal abzuschreiben." Sicherlich verbarg sich hinter dem großen Plan auch der Wunsch nach Selbstvergewisserung. Es heißt ja: "Wer schreibt, der bleibt." Für Hoff bedeutete das auch: Wer ein Jahrzehnt lang die gesamte Bibel "Schwarz auf weiß" zu Papier bringt, legt damit ein Bekenntnis ab, dass sich Mühsal lohnen kann und Handgeschriebenes tiefer in die Seelenschichten dringt als in Tasten Getipptes nach der Wisch-und-Weg-Methode.

Nach den ersten 30 Seiten stockte Hoffs Elan. Auch damals war es die Familie, die den Ehemann, Vater und Großvater zum Durchhalten animierte. Hoff erinnert sich an den Arbeitsbeginn: "Ich dachte mir, es erst mal bis zu den Psalmen zu bringen. Und dann brachte ich es doch zu Ende, bis zur Geheimen Offenbarung."

Heute schaut der studierte Kirchenmusiker und langjährige Kantor und Chorleiter an Sankt Remigius in Alt-Viersen oft auf das Regal mit den 18 Bänden und ist dann nach eigenem Bekunden sprachlos. In der Buchbinderei hatte ihm jemand zugerufen: "Ich mache eine tiefe Verbeugung vor Ihnen." Man spürt, dass Hans Wilhelm Hoff solch ein Lobpreis peinlich ist.

Hat er Lieblingsstellen in der Bibel? Hoff zögert mit einer Antwort, nennt dann die Geschichte vom barmherzigen Vater. Er bewundert Papst Franziskus ("Ein Papst nach meinem Geschmack") für dessen gepredigte und - wichtiger - praktizierte Barmherzigkeit: "Wir Menschen müssen bereit sein, zu verzeihen, immer wieder."

Den Katholiken, der keinen Sonntagsgottesdienst auslässt, suchen auch Glaubenszweifel heim. Aber nicht zuletzt die Bibellektüre hilft ihm stets darüber hinweg.

Hans Wilhelm Hoff, für den das berühmte stille Kämmerlein wie geschaffen zu sein scheint, hat neben der mühseligen Bibel-Abschrift noch eine Orgel-Komposition geschaffen. Das war vor zwei Jahren. Auch davon erzählt "das stille, tiefe Wasser" eher beiläufig. Andere würden alle Register ziehen. In gedämpftem Ton kommt Hoffs Wunsch daher, das eigene Musikstück für die Königin der Instrumente einmal auf der großen Orgel von St. Remigius, seiner Heimat-Kirche, spielen zu können.

(mc)
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