Bürgermeisterwahl Redaktionsgespräch Mit Susanne Noack-Zischewski (linke) "Vielleicht sehen die Viersener ja meinen Mut"

Viersen · Viel wird im Wahlkampf geredet, doch selten Tacheles. Was wollen die Kandidaten? Was können sie? Unsere Zeitung hat die einzelnen Kandidaten in die Redaktion eingeladen, um mit ihnen über Sachthemen zu reden. Heute: Susanne Noack-Zischewski (Linke).

viersen Für manche Menschen scheinen die Tage mehr als 24 Stunden zu haben: Susanne Noack-Zischewski gehört dazu. Sechs Kinder, alleinerziehend, berufstätig mit 25 Wochenstunden, sachkundige Bürgerin für die Linke, Tango-Tänzerin und Bürgermeisterkandidatin. Gut gelaunt wirbelt die 40-Jährige durch Alltag und Wahlkampf. Offen gibt sie zu, dass sie "keine zehn Jahre Politikerfahrung auf dem Buckel" habe, aber "ein gutes Gespür für Menschen besitze" und soziale Themen nicht nur aus der Verwaltungsvorlage kenne. In der Redaktion sprach sie über ihre Schulpolitik, Finanzen, Bürgernähe und ihre Partei.

"Linke Position" Als Ideologin auf dem linken Außenposten sieht sich Noack-Zischewski nicht. "Ich stehe mit beiden Beinen im Leben", sagt die 40-Jährige. Für die Stadt Viersen findet sie die Linkspartei wichtig, weil sie bestimmte Themen in die Stadt trage wie etwa kostenlose öffentliche Angebote, die die Teilhabe aller an der Gesellschaft sichern. Im vergangenen Jahr erst ist sie in die Partei "Die Linke" eingetreten, nachdem sie zunächst als sachkundige Bürgerin mitgearbeitet hatte. "Wir sind eine kleine Fraktion, aber wir arbeiten konzentriert und haben gute Leute. Ich bin nah dran am Geschehen und habe viel gelernt", sagt die 40-Jährige.

Lokale Bündnisse Die Linken in Berlin sind für die Viersenerin weit weg. "Wir arbeiten hier vor Ort sehr sachorientiert. Es kommt vor, dass wir mit der CDU gemeinsame Anträge stellen", sagt die 40-Jährige. Berührungsängste auf lokaler Ebene gebe es nicht. "Inhaltlich haben wir natürlich eine gewisse Nähe zur SPD. Es gibt da immer wieder Gespräche", so Noack-Zischewski. Eine dauerhafte Zusammenarbeit scheitere derzeit aber an alten Strukturen. Auch mit den Grünen gebe es inhaltliche Schnittmengen, aber kaum persönliche Gespräche. "Wir können in manchen Punkten mutiger und konsequenter sein als größere Parteien, denn wir müssen es nicht allen Recht machen", sagt die Bürgermeisterkandidatin zum Profil der Viersener Linken.

Sozialpolitik Noack-Zischewski ist eine Frau von der Basis. Viele Themen kennt sie aus eigener Lebenserfahrung. "Es gibt in Viersen viele Gruppen, denen es nicht so gut geht. Es ist wichtig, Angebote in Kultur und Sport zu haben, die allen offen stehen. Das hat mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Meine Kinder hätten sonst zum Beispiel nie Gitarrenunterricht nehmen können. Das hätte ich mir nicht leisten können."

Finanzen "Ich weiß, dass Viersen finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Mir ist auch klar, dass ich als Bürgermeisterin keine neuen teuren Projekte anstoßen könnte", sagt Noack-Zischewski. Die Bürger würden durch Abgaben und Gebühren genug belastet. Eine zehnprozentige Anhebung der Gewerbesteuer hält sie für sinnvoll. "Sie ist seit über zehn Jahren nicht erhöht worden." Gute kostenlose Freizeitangebote seien aber nicht nur eine Frage des Geldes. Viele, besonders auch junge Leute hätten gute, frische Ideen. Es gebe Turnhallen, die stundenweise ungenutzt leer stünden. Sie könne man für Freizeitangebote nutzen. In Mönchengladbach habe es beispielsweise ein Gartenprojekt gegeben. "Den Garten konnte jeder mitnutzen und mitbepflanzen. Solche Dinge sind mutig, innovativ, sie locken Leute an und machen die Stadt attraktiv."

Schulpolitik Mit einer linken Bürgermeisterin würde die Diskussion um eine zweite Gesamtschule für die Stadt wieder belebt werden, verspricht Noack-Zischewski. Ihre Partei hatte den Antrag 2011 bereits einmal eingebracht, aber er wurde im vergangenen Jahr abgelehnt. "Meiner Erfahrung nach trennt unser Schulsystem die Bildungswege der Kinder zu früh. Da erhalten Kinder eine Hauptschulempfehlung, die später das beste Abitur des Jahrgangs machen", erklärt die Kommunalpolitikerin.

Stadtentwicklung Als Leiterin des Dülken-Büros hat sich Noack-Zischewski gut ein Jahr konkret mit der Stadtplanung in dem Viersener Stadtteil beschäftigt. "Es gibt gesellschaftliche Strömungen, die man akzeptieren muss. Heute werden einfach viele Dinge im Internet bestellt. Da kann man die Uhr nicht zurückdrehen. Insofern sind die vielen Leerstände auf der Lange Straße ein Problem." Zur Entwicklung von Dülken meint sie: "Vielleicht könnte man mit geringen Mieten junge Kreative in den Stadtteil locken. Die Eigentümer der Immobilien müsste man auf jeden Fall einbinden, und die Mieten müssten subventioniert werden, aber in anderen Städten klappt so etwas auch." Ein paar Leuchtturmprojekte reichten in der Regel aus, um eine positive Entwicklung anzustoßen. Sehr gelungen findet Noack-Zischewski die Entwicklung am Gereonsplatz. "Es ist toll, abends dort zu sitzen. Der Platz hat ein schönes Multi-Kulti-Flair."

JOACHIM NIESSEN, LUDGER PETERS UND SABINE JANSSEN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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