Viersen Was rußgeschwärzte Balken erzählen

Viersen · Eine architektonische Schönheit entdeckten die Besucher beim Tag der Architektur an der Greefsallee 132 in Viersen. Der Waldorfkindergarten öffnete die Türen seines niederrheinisches Hallenhauses.

 Beim Tag der Architektur öffnete der Waldorfkindergarten an der Greefsallee in Viersen seine Türen. Der Kindergarten zog im vergangenen Jahr in das niederrheinische Hallenhaus, dessen Kern aus dem 16. Jahrhundert stammt.

Beim Tag der Architektur öffnete der Waldorfkindergarten an der Greefsallee in Viersen seine Türen. Der Kindergarten zog im vergangenen Jahr in das niederrheinische Hallenhaus, dessen Kern aus dem 16. Jahrhundert stammt.

Foto: Busch

"Idyllisch! Romantisch!", entfährt es den Besuchern, kaum dass sie den ersten Schritt auf das Gelände des Waldorfkindergartens "Kleiner Wassermann" an der Greefsallee getan haben. Bunt blüht die Blumenwiese, ein großes Feuchtbeet mit Brücke ist zu sehen. Dann entdecken die Besucher das Haus mit seinem Fachwerk und dem Lehmputz, das sich unter den alten Bäumen zu ducken scheint.

"Der Lehmputz ist jetzt noch sichtbar, da das Haus erst in zwei Jahren außen verputzt wird. Das frische Eichenholz schrumpft nach, daher kann der Außenputz noch nicht erfolgen", erläutert Martin Breidenbach vom gleichnamigen Architekturbüro. Er ist verantwortlich für die Sanierung der historischen Anlage und für den sich harmonisch anfügenden Anbau.

Fachwerk und Lehmbauweise sind aber nicht die einzigen Besonderheiten des niederrheinischen Hallenhauses, dessen Kern aus dem 16. Jahrhundert stammt. Im Inneren angekommen, wo sich Fachwerk und Lehmwände weiter fortsetzen, fällt der mächtige alte Kamin auf den ersten Blick ins Auge. Zwar gibt es keine Feuerstelle mehr, aber die Kaminhaube erinnert an Zeiten, in denen über der großen Feuerstelle gekocht wurde. "Es handelt sich um einen doppelseitigen Kamin, der allerdings rund 200 Jahre später, nach Erbauung des Hauses, eingebaut wurde", erklärt Breidenbach.

Dass einst ohne diesen Kaminabzug im Haus gekocht wurde, davon erzählt das Dachgeschoss: Im sogenannten Eurythmie-Raum des Waldorfkindergartens, direkt unter dem Dach gelegen, sind die alten Eichenbalken schwarz. Der Rauch der offenen Feuerstelle hat seine Spuren in Form einer Schwärzung der Eichenbalken hinterlassen. Breidenbach macht auf die Zimmermannszeichen in den alten Balken aufmerksam, die einst den Erbauern genau anzeigten, wo welcher Balken hin musste. Die Frage, warum manche Balken im Fachwerk, die sich gegenüberstehen, nahezu identisch aussehen, löst ein Schmunzeln beim Fachmann aus. Die Erklärung des Phänomens ist ganz einfach. Sie liegt im Spiegelschnitt: Ein Balken wurde einfach genau in der Mitte getrennt.

Die alten Schlösser mit den Messingklingen an den weiß laminierten Holztüren begeistern, und beim Blick durch die lichtgeflutete Galerie, die mittels eines geschwungenen Steges den sanierten Altbau mit dem Neubau verbindet, geraten die Besucher ins Schwärmen. Man schaut nämlich genau auf die gegenüberliegende denkmalgeschützte Mühle mit Teich und Mühlrad.

Der Neubau selbst ist wie das niederrheinische Hallenhaus in Ständerbauweise errichtet worden. Er schmiegt sich perfekt an das historische Gebäude an. Fasziniert sind die Besucher auch vom alten Gewölbekeller und der Opkammer mit ihrer niedrigen Decke. "Die Opkammer war aufgrund ihrer Nähe zur Küche früher der wärmste Raum eines Hauses. Dort gingen die Frauen der feinen Handarbeit nach", berichtet Breidenbach. Dabei beschreibt er die Situation so detailliert, dass vor dem geistigen Auge ein genaues Bild entsteht, wie es in diesem Haus einst ausgesehen hat. Breidenbach erzählt, dass die Tiere früher mit im Haus lebten und ihr Mist für Wärme sorgte, dass es im 17. Jahrhundert eine Erbteilung des Hallenhauses gab, die ihre Spuren hinterlassen hat, dass vor 150 Jahren einfach eine Backsteinmauer vor den Lehmputz gesetzt wurde. Der Architekt erklärt auch, wie die Gliederung des Wohn-Stall-Hauses aussah. Er kennt das Hallenhaus in- und auswendig. Hightech und alte Bauweise müssen sich dabei nicht ausschließen, wie allein die Heiztechnik beweist. Eine Wasserwärmepumpe und Hohlflächentemperierungen, bei denen die Heizungsrohre im Lehmputz der Wände liegen, machen Heizkörper und Fußbodenheizung überflüssig. Die Hohlflächentemperierung, erklärt Architekt Breidenbach, sorge zudem für ein mildes Strahlungsklima und eine gute Luftqualität.

(tref)
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