Viersen Wer zahlt für den umgekippten Baum?

Viersen · Beim jüngsten Sturm ist ein Baum auf ein Bauernhaus in Dülken gekippt. Für seine Pflege ist die Stadt verantwortlich. Die Anwohner sagen, sie hätten die städtischen Baumkontrolleure mehrfach gewarnt. Die Verwaltung erwidert, ihr sei nichts Derartiges bekannt.

 Beim Sturm ist dieser Baum auf das Haus einer Dülkener Familie an der Rheindahlener Straße gekippt. Rechts im Bild: Eine grüne Markierung zeigt, dass die Wurzeln des Baumes den Radweg beschädigt haben. Dies habe sich aber nicht auf die Standfestigkeit des Baums ausgewirkt, sagt Halberkann

Beim Sturm ist dieser Baum auf das Haus einer Dülkener Familie an der Rheindahlener Straße gekippt. Rechts im Bild: Eine grüne Markierung zeigt, dass die Wurzeln des Baumes den Radweg beschädigt haben. Dies habe sich aber nicht auf die Standfestigkeit des Baums ausgewirkt, sagt Halberkann

Foto: Jungmann

Bei dem Streit geht es ums Geld und ein wenig ums Prinzip. Beim Sturm vor rund einer Woche ist ein Baum auf ein Gehöft an der Rheindahlener Straße gekippt. Die Stadt ist für die Pflege des Baums verantwortlich. Doch zahlt sie auch für den Schaden?

Unter bestimmten Voraussetzungen könnte das sein. Lässt sich nachweisen, dass vor dem Unwetter klar war, dass der Baum eine Gefahr darstellt und die Stadt von ihr wusste, könnte sie haften. "Wir haben die Baumkontrolleure mehrfach angesprochen und ihnen erzählt, wie stark der Baum bei jedem Sturm schwankt", berichtet eine Bewohnerin des Hauses in Dülken. Die Stadt widerspricht: "Hier ist mir das nicht bestätigt worden", sagt Wolfgang Halberkann. Er leitet die städtischen Betriebe, die sich um die Baumpflege kümmern.

So steht Aussage gegen Aussage. Bei der Familie sind Kosten entstanden: Ein Teil des Stamms und die Krone landeten auf dem Dach ihres Hauses. Die Feuerwehr holte den mächtigen Baum mit einem Kran herunter. Dann musste sie Firmen beauftragen, die die Äste und weiteres Holz vom Dach schafften, das Dach notdürftig flickten. Irgendwann soll die Stelle neu gedeckt werden. "Wie es weitergeht, ist mit unserer Versicherung noch nicht geklärt", sagt eine Bewohnerin.

Der erste Ansprechpartner für Hausbesitzer ist in einem solchen Fall die Wohngebäudeversicherung. Bei einer Windstärke 8 und mehr entstandene Schäden gelten als Sturmschäden. Um die Windstärke zu prüfen, gibt es Messpunkte, auf die die Versicherer zugreifen - und am nächstgelegenen Messpunkt wurde an dem fraglichen Sonntag die Windstärke 15 gemessen. "Wenn ein Sturmschaden entstanden ist, bezahlt ihn zunächst die eigene Versicherung", erklärt Carsten Pawlik, Sprecher der Versicherungswirtschaft.

Für die Hausbesitzer hat das den Vorteil, dass sie den Neuwert erhalten. Bei einem Haftpflichtschaden hingegen würde nur der Zeitwert ersetzt, meist deutlich weniger als das, was für die Neuanschaffung anfällt.

Die Versicherung kann allerdings den Eigentümer des Baumes in Regress nehmen, in diesem Fall die Stadt Viersen. "In dem Moment, wo Sie erkannt haben, dass von Ihrem Eigentum eine Gefahr vorliegt, haben Sie die Pflicht, diese Gefahr zu beseitigen - bevor etwas passiert", sagt Versicherungsexperte Pawlik. Tut man dies nicht, kann die Versicherung die Kosten für den entstandenen Schaden zurückfordern.

Wichtig ist dabei, dass sich nachweisen lässt, dass der Eigentümer eine Gefahr wissentlich ignoriert hat. Das wird an der Rheindahlener Straße schwierig: Zwar versichern die Hausbewohner, dass sie Mitarbeiter der Stadt auf den Baum aufmerksam gemacht haben. Das sei aber nur mündlich geschehen. Sie haben weder einen Brief noch eine E-Mail.

Bei der Stadt heißt es, dass man Warnhinweisen nachgeht - auch, wenn sie telefonisch eingehen. Dies würde auch protokolliert. "Bei uns liegt aber nichts vor", sagt Stadtsprecher Peter Abrahams. Wolfgang Halberkann von den städtischen Betrieben ergänzt, dass seine Mitarbeiter die Bäume in diesem Bezirk Dülkens kontrolliert haben.

Merkwürdig erscheint in diesem Zusammenhang, dass bei der städtischen Pressestelle über Tage unklar war, wer für den Baum zuständig ist. Die Rheindahlener Straße ist eine Landstraße. Insofern wurde zunächst spekuliert, ob der Landesbetrieb Straßen NRW die Baumpflege übernimmt. In Ortsdurchfahrten - und um eine solche geht es hier - muss sich aber die Stadt kümmern. Das hat ein Mitarbeiter von Straßen NRW in einem Ortstermin geklärt. In der Pressestelle der Stadt hatte man auch nach diesem Termin von Straßen NRW erklärt, man müsse noch prüfen, ob man zuständig sei. Erst nach mehreren Tagen räumte Abrahams ein, dass sich die Stadt kümmern muss.

Unklar ist nun, ob lediglich die Pressestelle nicht wusste, dass die Stadt Viersen zuständig ist - oder ob sich diese Unwissenheit auf die städtischen Betriebe erstreckte. Wolfgang Halberkann jedenfalls versichert, seine Mitarbeiter hätten sich um den Baum gekümmert. "Er war aber äußerlich gesund." Bei einem Sturm wie diesem könne aber auch ein gesunder Baum umkippen. "Das sind höhere Gewalten. Da können Sie nichts machen", sagt Halberkann.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort