Viersen Wilhelm Tells Apfelschuss in Schweizer Kneipe

Viersen · Das Junge Theater an der Ruhr ging mit dem Schiller-Schauspiel originell um. Es wurde in der Festhalle gezeigt

 Die Dialoge waren neu, enthielten aber Schiller-Passagen.

Die Dialoge waren neu, enthielten aber Schiller-Passagen.

Foto: Busch

"Der kluge Mann baut vor", und "dem Mutigen hilft Gott". Es fehlte nicht an Zitaten aus Schillers "Wilhelm Tell". Dabei war es alles andere als eine traditionelle Klassiker-Inszenierung, die das Junge Theater an der Ruhr in der Festhalle bot, sie war auch nicht angekündigt.

Es ging auch nicht um eine Verlagerung der Handlung in die Gegenwart, die Regisseur Jo Fabian vorgenommen hatte. Im Grunde hatte Fabian ein neues Theaterstück geschrieben, in dem Schillers Spätwerk weiterlebte. Der Kern der Handlung blieb. Die Schweiz fand zu einem Nationalstaat, der despotische Reichsvogt Geßler verlangte von Wilhelm Tell, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen.

Die Dialoge wurden neu konzipiert und in einer einfachen, dialektverbundenen Sprache vorgetragen. Immer wieder aber waren Schiller-Textpassagen eingebaut, erkennbar nicht nur daran, dass die Sprache ins Hochdeutsche wechselte. Wie in der Rütli-Szene war dann eine ganz andere Stilistik zu hören. Und dann wurde es, ganz im Sinne Schillers, auch sehr pathetisch. Die schauspielerischen Leistungen waren ausgezeichnet, hervorzuheben ist vor allem der Darsteller des Reichsvogts Geßler. Der zog als Statthalter der österreichischen Fremdherrschaft brillant die unterschiedlichsten Register der Machtausübung. Mal arbeitete er mit brutaler Einschüchterung, mal mit bürokratischer Kaltschnäuzigkeit. Mal behandelte er seine Untertanen abfällig von oben herab, mal wusste er sie jovial einzuwickeln.

Bei aller Kurzweil der Inszenierung blieb die Vielschichtigkeit der Schillerschen Konzeption erhalten und wurde auf neue Art und Weise zum Ausdruck gebracht. Die berühmte Apfelschuss-Szene erhielt ganz neue und überraschende Wendungen.

Werner Stauffacher und seine Stammtischfreunde, die "Ortsvorsitzenden" aus Uri, Schwyz und Unterwalden, schwankten zwischen Anpassung und Rebellion. Sie fanden zur Gründung eines neuen, eigenen Staates zusammen. Aber den Gefahren nationalistischer Engstirnigkeit und Aggressivität waren sie letztlich nicht gewachsen. Daran ließen die bedrohlich klingenden Landsknechtstrommeln der Schluss-Szene keinen Zweifel aufkommen.

(-tr)
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