Bürgermeisterwahl Redaktionsgespräch Mit Martina Maaßen (grüne) "Wir binden unsere Bürger zu wenig ein"

Viersen · Viel wird im Wahlkampf geredet, doch selten Tacheles. Was wollen die Kandidaten? Was können sie? Unsere Zeitung hat die einzelnen Kandidaten in die Redaktion eingeladen, um mit ihnen über Sachthemen zu reden. Heute: Martina Maaßen von den Grünen.

Bürgermeisterwahl Redaktionsgespräch Mit Martina Maaßen (grüne): "Wir binden unsere Bürger zu wenig ein"
Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

viersen Keine Frage, Martina Maaßen tritt jetzt im Wahlkampf fest in die Pedale. Das schuldet die Bürgermeisterkandidatin ihrer grünen Überzeugung und ihrer Partei. Die Landtagsabgeordnete möchte bei Radtouren mit Bürgern ins Gespräch kommen und sie überzeugen. In der Redaktion sprach die geborene Viersenerin natürlich über Klimaschutz, aber auch über Bürgernähe, Sozialpolitik, Stadtplanung und interkommunale Zusammenarbeit.

Klimaschutz Als Bürgermeisterin möchte Maaßen das Radwegenetz ausbauen. "Ich möchte die Menschen motivieren, das Auto auch mal stehenzulassen und mit dem Rad zu fahren." Allerdings sieht die Dülkenerin noch lange nicht, dass die Viersener das Rad so selbstverständlich als Fortbewegungsmittel nutzen wie ihre niederländischen Nachbarn, die in Kostüm und Anzug damit zur Arbeit pendeln. Wenn es nach Maaßen geht, soll Viersen nicht nur fahrradfreundlicher werden, sondern grundsätzlich innovativ nach vorn gehen. Dazu gehören Vorzeige-Bauprojekte mit erneuerbaren Energien. Maaßen nannte die Ruhrgebietsstadt Bottrop vorbildlich. Zum Hintergrund: Bottrop ist Pilot-Stadt für das Projekt "Innovation City", das sich den klimagerechten Umbau einer Industriestadt zum Ziel setzt.

Sozialpolitik "Viersen hat mehr Sozialhilfe-Empfänger als die umliegenden Kommunen", stellte Maaßen fest. Da will die Grünen-Politikerin ansetzen. Die Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen würden bei ihr zur Chefsache. "Wir müssen die Menschen in Arbeit bringen."

Stadtplanung In der City sieht die Grünen-Politikerin Handlungs- und Entwicklungsbedarf. "Wir müssen die Innenstadt zentrieren und zwar auf ihren nördlichen Teil. Die Südstadt als Einkaufszone funktioniert nicht, da muss man mehr Dienstleistungen ansiedeln." Das Löhcenter nannte Maaßen "architektonisch unerträglich".

Kliniklandschaft Der bundesweite Existenzkampf der Krankenhäuser tobt auch in der Region. Das sieht die Landtagsabgeordnete nüchtern. "Es wird einen Rückgang an Krankenhäusern geben. Deshalb führt kein Weg an Verbund-Lösungen vorbei. Das Zusammengehen von St. Irmgardis mit dem Allgemeinen Krankenhaus Viersen (AKH) sei ein Weg der Vernunft. "Die Mitarbeiter des AKH sehe ich da nicht akut gefährdet, auch wenn die Mitarbeiter von St. Irmgardis bis Ende 2023 Bestandsschutz genießen. In der weiteren Zukunft werde man sicherlich über ein Zusammengehen mit Mönchengladbach nachdenken müssen.

Bürgernähe Als Bürgermeisterin will Maaßen direkte Ansprechpartnerin für ihre Mitarbeiter im Rathaus, aber auch die Bürger werden. Flachere Hierarchien, eine Bürger- und Mitarbeitersprechstunde verspricht die Grünen-Politikerin im Fall ihrer Wahl. An der Nähe zu den Bürgern fehle es derzeit. Die Kommunalpolitik sei relativ schwach, vertraue sehr auf die Sachkenntnis der Verwaltung. Vorschläge von Bürgern würden oft als Bedrohung empfunden. "Dabei ist Viersen eine starke Kulturstadt mit viel Privatengagement. Es gibt viele Menschen, die sich Gedanken machen, diese Stadt lebenswert zu halten. Das ist eine Ressource, die wir nutzen müssen. Wir binden unsere Bürger viel zu wenig ein."

Flüchtlingspolitik Gerade in der Flüchtlingshilfe würden die Bürger nicht mitgenommen, kritisiert Maaßen. Sie laufe in Viersen stark über Institutionen und erwecke den Eindruck einer geschlossenen Veranstaltung. "Das muss man unkompliziert öffnen für Bürger, die sich engagieren wollen." Grundsätzlich sei sie dafür, Asylbewerber dezentral in Privatwohnungen unterzubringen. Sollte auf dem Kaiser's-Gelände nun eine Zentrale Unterbringungseinrichtung des Landes kommen, so müsse man zum Beispiel mit Bussen dafür sorgen, dass die Menschen dort nicht abgeschottet blieben.

Interkommunale Zusammenarbeit Für die Landtagsabgeordnete der Grünen liegt der Schlüssel zu Themen wie Klimaschutz, Wirtschaftsförderung, Haushaltskonsolidierung in der effektiven Zusammenarbeit der Kommunen. "Da können wir mehr tun. Wir empfinden uns zu wenig als Region", sagte Maaßen. Zugleich dürfe Viersen als Kreisstadt nicht mit Herrschaftsansprüchen auftreten. Auch die "verkrusteten Strukturen" zwischen Landrat und Bürgermeister, Kreis und Stadt, müssten aufgeweicht werden. Erste Anläufe der interkommunalen Zusammenarbeit beim Bauhof und Rechnungsprüfungsamt seien leider gescheitert. "Das muss man neu angehen. Generell muss man den Rivalitätsgedanken rausnehmen. Irgendwann kommen wir dann vielleicht zu gemeinsamen Einkäufen, gemeinsamen Ausschreibungen und vielleicht sogar einer Kreis-Wirtschaftsförderung." Die Bürgermeister der Kommunen sollten sich auch informell öfter zusammensetzen. "Ich weiß aber nicht, wie da jetzt die Arbeitsstrukturen sind", sagte Maaßen.

JOACHIM NIESSEN, LUDGER PETERS UND SABINE JANSSEN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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