Kreis Viersen Wo arbeiten die Lehrer?

Kreis Viersen · Seit Jahresbeginn können häusliche Arbeitszimmer nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden. Aber für angemessene Arbeitsräume in den Schulen sorgt der Staat als Arbeitgeber nicht. Protestaktion der GEW in Nettetal.

Mit 72 Umzugskartons marschierten gestern etwa 30 Lehrer an der Nettetaler Gesamtschule auf. „Wir ziehen mit dem Arbeitszimmer in die Schule“, kündigten sie in einer kreisweiten Protestaktion der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an. Am Podium diskutierten der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer, Nettetals Schuldezernent Marc Lahmann und die GEW-Kreisvorsitzende Agathe Weber gemäß dem Spruchband „Schule geht nicht mit Sparmaßnahmen“.

Siegfried Schamann, Lehrer an der Gesamtschule und Personalratsmitglied, und seine Kollegen kamen zuvor ins Schwitzen, als sie die Kartons in die Mensa wuchteten. Sie sollten das Volumen der Arbeitsmaterialien der 72 Gesamtschul-Kollegen darstellen. Das sei ja „’ne ganze Menge“ staunte Uwe Schummer. Die Lehrer wehren sich dagegen, dass ihnen steuerliche Erleichterungen fürs häusliche Arbeitszimmer gestrichen werden, sie aber keine vergleichbaren Arbeitsräume in den Schulen haben.

Steuerrecht vereinfachen

Uwe Schummer warb für die Position des Bundes: Es gehe nicht nur darum Geld einzusparen, sondern vor allem darum, das Steuerrecht zu vereinfachen. „Wir wollen ein einfaches Steuerrecht mit wenig Privilegien, aber niedrigeren Steuersätzen“, meinte Schummer.

Die GEW-Kreisvorsitzende Agathe Weber widersprach. Lehrer könnten Arbeitszimmer nicht mehr steuerlich geltend machen, „aber alle andere Landesbedienstete bekommen ihren Arbeitsplatz voll finanziert.“ Roland Schiefelbein, Leiter der Gesamtschule, wies darauf hin, dass die Schulen auf dem Weg zur Ganztagseinrichtung sind. Für den Augenblick sollten die Erleichterungen weiter gelten. Es müsse geklärt werden, ob Lehrer ihre Arbeitsplätze künftig ganz in die Schule verlagern können und sollen. Die Schule werde sich ändern. „Neben Lehrern werden Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte in der Schule arbeiten“, so Schiefelbein.

Beigeordneter Marc Lahmann vermisste Vertreter des Landes als Dienstherr der Lehrer. Die Stadt stelle Schulräume, Lehr- und Unterrichtsmittel. „Wenn Bund und Land mehr wollen, müssen sie im Rahmen des Konnexitätsprinzips auch die Finanzen zur Verfügung stellen.“ Die Forderung, die Städte sollten die Arbeitsplätze in den Schulen schaffen, wies Lahmann zurück. „In Nettetal müsste für etwa 350 Lehrer das Volumen von mindestens zwei Rathäusern angebaut werden.“ So etwas könne die Stadt niemals leisten.

Schummers Vorschlag, die Schulen sollten Arbeitsmöglichkeiten selbst organisieren, stieß auch auf Widerspruch. Niemand könne im unruhigen Umfeld eines Lehrerzimmers Klausuren korrigieren oder sich sinnvoll vorbereiten. Und im Ganztagsbetrieb fehlten Räume – es sein denn, man lege Nachtschichten ein.

(RP)
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