Brüggen/Niederkrüchten Wo das Wildschwein die Erde aufwühlt

Brüggen/Niederkrüchten · Im Herbst gibt es im Wald viel zu entdecken: Die bunten Blätter fallen, Wildtiere suchen nach Eicheln und Bucheckern, Regenwürmern und Larven. Jägerin Bärbel Weinmann erklärt, woran man erkennt, welche Tiere jetzt unterwegs sind

 Bärbel Weinmann ist fast täglich mit ihren Hunden Asra, Cara und Benthe in ihrem Revier in Niederkrüchten unterwegs.

Bärbel Weinmann ist fast täglich mit ihren Hunden Asra, Cara und Benthe in ihrem Revier in Niederkrüchten unterwegs.

Foto: Busch

Zwischen Niederkrüchten und Arsbeck ist es still im Wald. So still, dass man es rascheln hört, wenn Hündin Asra über einen bunten Blätterhaufen springt. Die Dackeldame begleitet Frauchen Bärbel Weinmann fast täglich hierher in den Wald. Denn Bärbel Weinmann hat 380 Hektar Wald vom Land NRW gepachtet. Mit der Pacht sind Rechte und Pflichten verbunden. Dazu gehört auch die Hege und Pflege der Tiere des Waldes. Die passionierte Jägerin, von Beruf Diplom-Agraringenieurin, leitet ehrenamtlich das Museum Mensch und Jagd in der Burg Brüggen. Wer im Wald mit ihr unterwegs ist, entdeckt plötzlich Spuren von Tieren, die er ohne Weinmanns Begleitung nie gesehen hätte.

 Wildschweine sind tagsüber selten zu sehen. Spaziergänger entdecken die Tiere am frühen Morgen und in der Dämmerung. Gefährlich sind die Tiere dann, wenn sie Frischlinge haben oder sich bedroht fühlen.

Wildschweine sind tagsüber selten zu sehen. Spaziergänger entdecken die Tiere am frühen Morgen und in der Dämmerung. Gefährlich sind die Tiere dann, wenn sie Frischlinge haben oder sich bedroht fühlen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Da ist am Feldrand die Erde aufgewühlt, als hätte sich dort ein großes Auto festgefahren. Doch die Spuren stammen nicht von Autoreifen, sondern von Wildschweinen. "Sie wühlen die Erde um, suchen Regenwürmern und Larven", erklärt Bärbel Weinmann. Eiweißreiche Kost für die Schwarzkittel. Die können sich im Wald im Augenblick dick fressen: Schon im zweiten Jahr gibt es viele Eicheln und Bucheckern - der Tisch der Natur ist für die Tiere reich gedeckt.

Die Wildschweine sind tagsüber meist nicht zu sehen. Sie verstecken sich im Wald irgendwo im Dickicht. Spaziergänger sehen die Tiere nur am frühen Morgen, abends in der Dämmerung oder nachts, wenn der Mond scheint. Am Tag entdeckt der aufmerksame Waldbesucher dann die aufgewühlte Erde und andere Spuren, die auf die Anwesenheit von Wildschweinen hindeuten: Da ist ein großes Schlammloch im Wald, in dem sich die Tiere gesuhlt haben. "Schweine sind reinliche Tiere", erklärt die Jägerin. Die Wildschweine suhlen sich zunächst im Dreck, lassen ihn auf dem Fell trocknen und schubbern sich dann an den Stämmen umstehender Bäume. Etwa kniehoch sind viele Bäume im Wald in eine feste Dreckschicht gehüllt: Das waren die Wildschweine, die mit dem Dreck auch die Parasiten im Fell losgeworden sind.

Weinmann bückt sich, hebt eine Feder auf. "Die hat wohl eine Taube verloren", sagt sie und deutet auf den Kiel. Der läuft spitz zu, so als sei er eben aus der Haut der Taube gerupft worden. Wer ein Federbüschel im Wald findet, sollte sich die Kiele der Federn ansehen, rät Weinmann: Laufen sie noch spitz zu, wurde der Vogel gerupft - beispielsweise von einem Habicht, einer Eule oder einem Sperber. Sind die Kiele stumpf, wurden sie abgebissen - als Täter könnten Fuchs, Marder oder Katze in Frage kommen.

Weiter geht es durch raschelndes Laub, zwischen Brombeeren und Farn hindurch. Da ist ein großes Loch im Boden - eine richtige Stolperfalle. "Ein Fuchsbau", sagt die Jägerin und geht vor der Öffnung auf die Knie. Ob der Bau bewohnt ist? "Ja, ist er", sagt Weinmann und zeigt auf die Erde am Tunneleingang: Tatsächlich, dort sind Spuren von Pfotenabdrücken zu sehen. Klein und undeutlich zwar, aber da. Auch in einer fast ausgetrockneten Pfütze findet Weinmann Pfotenabdrücke vom Fuchs. Er setzt die Füße hintereinander auf, nicht nebeneinander. "Schnüren" nennt man das.

Ein kleiner Baum ragt ohne Laub aus dem Waldboden empor. Das untere Drittel des Stammes ist rundum ganz zerfasert. Starker Druck hat dafür gesorgt, dass sich die Rinde gelöst hat und nun in Fetzen herunter hängt. Hier hat ein junger Rehbock seine Gehörnhaut, den Bast, am Stamm abgerieben. Auf einem Waldweg findet die Jägerin auch Trittsiegel von Rehen: Die Fußabdrücke von Mutter und Jungtier sind im feuchten, dunklen Boden gut zu erkennen. Etwa so groß wie ein Zwei-Euro-Stück ist der Abdruck des Muttertiers - gleich daneben ist die kleinere Spur des Jungen.

Rehe sind tagsüber zu sehen: Alle vier bis fünf Stunden müssen sie essen, sie sind viel unterwegs. Und je nachdem, wie gut die Rehe an Besuch gewöhnt sind, lassen sie sich von Wanderern und Joggern, Radfahrern und Pilzsammlern nicht stören. Jedenfalls nicht, so lange die Menschen Abstand halten.

Dackeldame Asra scharrt mit der Pfote an einem Baum. Rund um den Stamm liegen viele Rindenteile, als hätte jemand Stück für Stück den Baum ausgezogen. Die Rindenteile findet die Hündin sichtlich interessant, die Jägerin hingegen wirft einen Blick auf den von der Rinde befreiten Stamm. Löcher sind zu sehen, manche so groß wie ein Zehn-Cent-Stück, und lange Furchen, die auf dem Holz ein wirres Muster bilden. Die Furchen stammen von Käfern, die unter der Rinde leben. Und die Löcher hat der Buntspecht gemacht, als er leckere Käfer suchte.

Und wer Glück hat, findet im Wald auch einen Hinweis darauf, dass eine Eule hier einen Ruhebaum gefunden hat: Dann entdeckt der Waldbesucher vielleicht ein Gewölle mit Fell und Knochen, das die Eule nach dem Speisen als unverdaulichen Rest wieder hochgewürgt hat. Fell und Knochen sind alles, was von der Maus übrig blieb.

(RP)
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