Viersen Wo ein Viersener Dichter Unterschlupf fand

Viersen · Eine Seelenverwandtschaft zwischen portugiesischem Aristokraten und niederrheinischem Flüchtling.

Auch wenn sich die Geburtstagsfeier für den - in heutigen Stadtgrenzen - Viersener Fontanepreisträger Albert Vigoleis Thelen seit Jahren großer Beliebtheit erfreut und regelmäßig sowohl Viersener wie auswärtige Vigoleis-Freunde anzieht: Thelen-Fachleute und interessierte Laien erfuhren viel Neues über den 1903 in Süchteln geborenen und 1989 in Dülken gestorbenen großen Schriftsteller. Wie immer seit Thelens 100. Geburtstag wurde auch die diesjährige literarische Feier zu seinem 112. Geburtstag vom Verein für Heimatpflege, von den Buchhandlungen Doetsch und der Albert-Vigoleis-Thelen-Stadtbibliothek veranstaltet.

Vigoleis-Fans wissen, dass Thelen und seine Frau Beatrice auf der abenteuerlichen Flucht vor den Nazis sieben Jahre auf dem Schloss des portugiesischen Adligen Teixeira de Pascoaes (1877-1952) Unterschlupf fanden. Aber wie kamen Thelen und Pascoaes miteinander aus? Der Schlossherr und der durch die politischen Verhältnisse aus der Bahn geworfene, mittellose Flüchtling - hatten sie sich viel zu sagen? "Eine unmögliche Begegnung", nannte deshalb Prof. Helmut Siepmann seinen Vortrag in der Stadtbibliothek.

Der Romanist, Altdekan der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen, ist Kenner der portugiesischen Kultur und Vigoleis-Verehrer. Er hat sich sehr gründlich mit der Beziehung der beiden so unterschiedlichen Persönlichkeiten befasst. Seine überraschende Erkenntnis ist, dass es - bei aller Unterschiedlichkeit - mehr Gemeinsamkeiten zwischen beiden gab, als man vermuten möchte. So unterschiedlich auch die Herkunft war: Es gab beachtliche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen. Beide hatten einen Hang zum Provozieren und zum Polarisieren, beide waren politisch hellwach. Pascoaes, zu seiner Zeit "Wortführer der intellektuellen Szene in Portugal", beschrieb die sozialen Probleme seines Landes und entwarf Programme zu ihrer Lösung. Das dabei durchschimmernde "mythische Verständnis von Nation" dürfte von Vigoleis nicht in allem geteilt worden sein. Aber einen Hang zum Mystischen hatten beide. Was Thelen besonders gefiel, war Pascoaes' differenzierte Einstellung zu religiösen Fragen. Thelen, erklärter Gegner eines "orthodoxen Katholizismus", fand großes Interesse an einem "Katholizismus ohne die Fesseln der Kirche". Die "Mystik der Leidenschaft" des Pascoaes erschien ihm als Gegenentwurf zu einer "Religion des Todes."

Und beide verfügten über einen herrlich verschrobenen Humor. Thelen, der als Übersetzer für Pascoaes arbeitete und für ihn im deutsch- und niederländischsprachigem Raum einen Verleger suchte, fand erst nach 36 Absagen einen Interessenten. Kommentar von Pascoaes: "Ist es nicht ein großartiges Kompliment, dass schon 37 Leser gewonnen werden konnten?"

(-tr)
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