Schwalmtal Wo im Hintergrund der Hase rauscht

Schwalmtal · Die Welt der Künstlerin Friederike Hinz ist voll von gedruckten und gemalten Hasen. Niedliche "Häskes" sind das nicht: Der Feldhase ist wie ein Spiegel, in dem die Welt in all ihren Facetten reflektiert wird

 Umgeben von Hasen ist Friederike Hinz in ihrem Atelier auf dem Brandshof in Lüttelforst.

Umgeben von Hasen ist Friederike Hinz in ihrem Atelier auf dem Brandshof in Lüttelforst.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Postkarten von Wiesenstücken, abstrahierte Bilder von Feldern, Hasenfelle, auf Keilrahmen gespannt, selbst entwickelte Pinsel mit Hasenfell, ein gemalter Mondhase - das Atelier von Friederike Hinz ist voll von gemalten und gedruckten Hasen. Auch ein paar Plastikspiel- und Plüschhasen stehen herum. Diese sind allerdings als Geschenke ins Atelier gekommen. Dürers berühmter Hase kommt dem Besucher in den Sinn, Beuys' Aktion "Wie man einem toten Hasen die Bilder erklärt" ebenso. Ein Besuch im Atelier in Lüttelforst.

Bis heute hat Friederike Hinz nicht aufgehört, das Motiv zu bearbeiten. Der Hase als erkennbare Figur tritt zwar immer weiter in den Hintergrund, wird mehr und mehr zum "Hintergrundrauschen", wie Hinz es nennt, bleibt aber stets Anlass, sich mit vielfältigen Themen zu befassen. Eines ist das Thema Flucht und Vertreibung. "Das Massaker von Idaho" oder "10 Jahre Massaker" sind Titel von Linoldrucken, auf denen man flüchtende Hasen sieht. Vordergründig geht es um das Verjagen von Hasen, aber im Hintergrund steht immer die Assoziation von flüchtenden, verjagten Menschen.

 Hasenbilder im Atelier - gemalt, gedruckt, bearbeitet.

Hasenbilder im Atelier - gemalt, gedruckt, bearbeitet.

Foto: Busch

Aber auch umweltpolitische und gesellschaftlich relevante Themen wie die Genmanipulation werden aufgegriffen. Eine beeindruckende zehnteilige Serie trägt den Titel ff (steht für Feldforschung) MON.810 (eine Abkürzung für den Gentechnikkonzern Monsanto). Auf den großformatigen Gemälden wird ein abgeerntetes Maisfeld aus der Perspektive eines Feldhasen dargestellt. Forscher gehen davon aus, dass der Sichtradius des Hasen 360 Grad beträgt. Er verfügt also über einen Panoramablick, sieht allerdings nur zehn Prozent genau vor beziehungsweise hinter sich scharf. Das Präsentations-Konzept von Friederike Hinz sieht vor, die Gemälde in einer begehbaren Kreisform zu installieren, um den Panoramablick zu simulieren, den ein Mensch dennoch nie wird nachvollziehen können.

Eine neue Serie heißt "sketches from sketches". Skizzen, die seit 30 Jahren in Hinz' Skizzenbüchern versteckt waren, werden ans Tageslicht geholt, neu betrachtet und auf eine gedruckte Fläche gezeichnet. Alle älteren Skizzen sind Fragmente, die aus einem Impuls entstanden. Sie werden nun mit einem neuen Impuls neu gezeichnet.

Experimente macht Friederike Hinz mit "Outdoor-Malerei": Sie malt einen Maiskolben und übergibt das Bild der Natur, vielleicht auch den Hasen. In regelmäßigen Abständen fotografiert und dokumentiert sie einen Zersetzungsprozess mit verblüffenden Effekten.

Hinz betrachtet also den Hasen als Anlass zum Malen. Nicht nur dient er zur Auseinandersetzung mit vielen Themen, er dient auch zum Experimentieren mit unterschiedlichen Malstilen. Sie malt ganz realistische Hasen, sie malt Fantasiehasen, sie druckt sie, sie zerlegt die Formen in so kleine Abschnitte, dass sie wie verpixelt aussehen, sie zeichnet Hasen oder montiert gefundene Scheren, die zur Schafschur verwendet wurden, zu Hasenohren auf aufgespanntem Sackleinen.

Hinz macht alles andere als kleine harmlose "Häskes", so nannte eine Besucherin sie einmal. Der Feldhase ist wie ein Spiegel, in dem die Welt in all ihren Facetten reflektiert wird.

(b-r)
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