Viersen Zeitarbeit drängt aus der Nische heraus

Viersen · Langzeitarbeitslose, Hilfsarbeiter, auch Spezialisten: Rund 40 Zeitarbeitsfirmen aus der Region haben ein umfassendes personelles Portfolio. Viele Betriebe nehmen die Dienste in Anspruch, wenn sie flexibel auf Engpässe reagieren müssen.

 Zeitarbeitnehmer werden für viele Firmen immer wichtiger. Aber auch die Beschäftigten profitieren: So waren laut einer Studie der IHK Mittlerer Niederrhein 8,2 Prozent vorher langzeitarbeitslos.

Zeitarbeitnehmer werden für viele Firmen immer wichtiger. Aber auch die Beschäftigten profitieren: So waren laut einer Studie der IHK Mittlerer Niederrhein 8,2 Prozent vorher langzeitarbeitslos.

Foto: dpa

Seit 17 Jahren ist Ulrike Gewehr im Zeitarbeits-Geschäft. Ihr Unternehmen In time Personal-Dienstleistungen bedient rund 30 Unternehmen in der Region, wenn diese kurzfristig Arbeitskräfte suchen. Entsprechend umfangreich ist das personelle Portfolio von Gewehr und ihrer siebenköpfigen Mannschaft. Doch wenn Anfragen nach Spezialisten kommen, dann muss sie mittlerweile oft abwinken. "Mit Steuerfachangestellten kann ich nicht dienen. Nicht vermittelte Kräfte gibt's nicht auf dem freien Arbeitsmarkt. Auch bei den Pflegeberufen sieht's kritisch aus. Facharbeiter, Handwerker und Buchhalter sind auch begehrt", sagt sie.

Das Beispiel ihrer Firma zeigt: Die Zeitarbeit, seit langem und immer wieder kritisch beäugt, hat längst ihre einstige Nischenposition verlassen. Das macht auch eine neue Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein deutlich. Sie belegt: In der Branche steckt sehr viel Potenzial. Und sie ist kein Jobkiller, der in den Unternehmen die Stammkräfte verdrängt - so die Studie von IHK-Referent Gregor Werkle. Er hat 40 Zeitarbeitsfirmen aus der Region befragt, die mit rund 200 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zusammenarbeiten. "Es ist daher falsch, die positiven Effekte durch immer stärkere Regulierungsmaßnahmen abzuwürgen", sagt Dr. Dieter Porschen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein.

Wer die Bedeutung der Zeitarbeit in der Region beleuchtet, kann unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Fakt ist: Gut 9800 Beschäftigte arbeiten am Mittleren Niederrhein in der Zeitarbeitsbranche, das ist ein Anteil von 2,6 Prozent an der Gesamtbeschäftigung, wobei das Wachstum bei der Zeitarbeit stärker ist. Porschen: "Gerade in Zeiten eines beginnenden Aufschwungs ist Zeitarbeit ein wertvolles Instrument für die Betriebe.

Es kann auf personelle Engpässe und Produktionsspitzen flexibel reagieren. Mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen gaben diese Motive als hauptsächlichen Grund für den Einsatz von Zeitarbeitnehmern an."

69 Prozent der Zeitarbeitnehmer am Mittleren Niederrhein waren vor ihrer Beschäftigung arbeitslos oder noch gar nicht beschäftigt, 8,2 Prozent waren sogar langzeitarbeitslos. "Dieses Ergebnis zeigt, dass Zeitarbeit eine Funktion als Eingangs- beziehungsweise Wiedereintrittstür in den ersten Arbeitsmarkt erfüllt - am Mittleren Niederrhein sogar stärker als in Deutschland insgesamt", so die Studie.

Noch etwas fällt auf: 45 Prozent der eingesetzten Zeitarbeitnehmer haben keine abgeschlossene Berufsausbildung, lediglich neun Prozent haben einen Hochschulabschluss. Der sogenannte "Klebe-Effekt" ist weniger ausgeprägt: 18 Prozent der Unternehmen bieten mindestens jedem vierten Hilfsarbeiter eine Festanstellung an. Bei den Fachkräften ist diese Wahrscheinlichkeit wesentlich größer: Da klettert der Wert bei den Firmen auf 30 Prozent.

Die Spezialisten sind das eigentliche Kapital von Zeitarbeits-Unternehmerin Ulrike Gewehr. Auch wenn der Facharbeitermangel inzwischen in den Betrieben angekommen ist, kann sie in vielen Branchen noch mit Experten aushelfen. "Wir verfügen über ein großes Netzwerk. Das ist unser Kapital", sagt sie. Gleichzeitig ärgert sie sich mit ihren Kollegen über eine schlechte Bewertung der Zeitarbeit in der Öffentlichkeit. Gewehr: "Wir zahlen Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Bei uns gilt schon längst der Mindestlohn. Unsere Arbeitsverträge werden von der Arbeitsagentur überprüft. Und kein Unternehmen wird so überwacht wie die Zeitarbeitsbranche."

(RP)
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