Hückelhoven 441 Kumpel aus Schacht gerettet

Hückelhoven · Schlimm war das Geschehen auch für die Kumpel. Zwar konnten die 441 Kollegen der Nachtschicht - dank der Aufmerksamkeit und schnellen Reaktion von Obersteiger Gersch, der bei einem Kontrollgang die einstürzenden Wassermassen entdeckt hatte - unbeschadet ans Tageslicht gebracht werden, aber sie machten sich Sorgen um ihre Zukunft. Zunächst war nämlich angenommen worden, durch den Wassereinbruch seien die 4200 Arbeitsplätze des Bergwerks ernsthaft gefährdet. Dem widersprach bereits am Sonntagnachmittag der Grubenvorstand: Man werde die Situation, jedoch mit erheblichem finanziellen Aufwand, bald in den Griff bekommen. Allerdings konnte vorübergehend nur ein Teil der Belegschaft beschäftigt werden. Deshalb versicherte Wirtschaftsminister Riemer, dass für 2500 Belegschaftsmitglieder bereits am Montag ohne großen bürokratischen Aufwand Kurzarbeitergeld gezahlt werde.

Überhaupt sagten Riemer und sein Ministerkollege Farthmann der Grubenleitung finanzielle Hilfe zu, denn insgesamt schätzte der Grubenvorstand Unter- und Übertage einen Schaden von rund 60 Millionen Mark. Deshalb war der Hilferuf an die Adresse der Öffentlichen Hand verständlich. Deshalb auch der beispielhafte Einsatz der Kumpel, des Grubenvorstands und der Bergwerks-Eigner, alles daran zu setzen, den Betrieb wieder herzustellen. Inzwischen hatte Bergwerksdirektor Dr. Hans-Dieter Russell seinen Stab zusammengerufen und Sicherungsmaßnahmen in dem immer mehr volllaufenden Schacht - das Wasser schoss mit bis zu 20 000 Liter in der Minute aus dem 320 Meter tiefen Deckgebirge im "Wassenberger Horst" hinein - wurden eingeleitet. Hunderte Kumpel waren pausenlos dabei, über 30 000 Sandsäcke zu füllen und hinab in den etwa 400 Meter tiefen Schacht zu bringen, um Dämme zu errichten. Ferner setzte man zahlreiche Pumpen ein, und parallel dazu wurde 150 Meter entfernt von der Feierabendsiedlung eine Zielbohrung in das unterirdische Wasser vorbereitet. Drei Tage später fraß sich ein Spezialbohrer ins Erdreich - genau über der Stelle, wo tief unten der Wassereinbruch die Katastrophe ausgelöst hatte.

Genau 14 Tage danach, am Samstag, 27. September, trafen die Bohrmannschaften um 15.42 Uhr den Unglücksstreb in 411 Meter Tiefe, und am Sonntag wurde mit dem Verfüllen begonnen. Pausenlos rollten Lastwagen mit Füllmaterial heran: In zwei Tagen wurden 300 Tonnen Schwerspat (Bariumsulfat) in den Stollen gepumpt. Hinzu kamen 880 Tonnen Zement, mit denen der Streb restlos abgedichtet wurde. So wurde die Zeche nach dieser Katastrophe gerettet - und Bergwerksdirektor Friedrich Buss dankte in der Belegschaftsversammlung am 30. November 1975: "Es ist allein Ihr Verdienst, dass die Zechenanlage erhalten bleiben konnte."

(ie)
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