Wassenberg Beten macht stark

Wassenberg · Jeden Freitag sind Christen in die Kapelle der Kirche St. Mariä Himmelfahrt Wassenberg eingeladen, innerhalb von 24 Stunden eine frei gewählte Zeit im Gebet zu verbringen. Anreger ist der Eucharistische Gebetskreis. Ein Gespräch.

 Meditative Stille beim 24-Stunden-Gebet freitags in der Kapelle der Kirche St. Mariä Himmelfahrt Wassenberg-Oberstadt.

Meditative Stille beim 24-Stunden-Gebet freitags in der Kapelle der Kirche St. Mariä Himmelfahrt Wassenberg-Oberstadt.

Foto: Jürgen Laaser

Freitagabend in der Seitenkapelle der Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt in der Wassenberger Oberstadt. Es herrscht Stille, gedämpftes Licht, auf dem Altartisch umrahmen Kerzen eine kleine Monstranz, in der eine konsekrierte Hostie, der Leib Christi oder das Allerheiligste, wie Katholiken es nennen, gezeigt wird.

Menschen unterschiedlichen Alters sitzen und knien konzentriert, meditierend, betend in den Bänken davor. Am Rande ein Kasten mit Zetteln, auf denen Menschen ihre Gebetsanliegen aufgeschrieben haben, die sie mit den anderen teilen wollen: Persönliches, etwa Bitten um Stärkung in schwerer Krankheit, sind da ebenso zu lesen wie Wünsche zur Weltkirche, für einen neuen "guten Hirten" als Bischof von Aachen, für mehr Mitmenschlichkeit Flüchtlingen gegenüber oder eine Bitte für die Jugend in der Wassenberger Pfarrei.

Jeden Freitag von 4 Uhr früh bis Samstag, 4 Uhr, lädt seit drei Jahren der Eucharistische Gebetskreis zum 24-Stunden-Gebet ein - alle, die mögen, sind willkommen, innerhalb dieser 24 Stunden, Tag oder Nacht, eine frei gewählte Zeit, und sei es nur eine Viertelstunde, "vor dem Herrn" zu verbringen, wie Andreas (52) und Nicole Walter (50), es ausdrücken.

Der gelernte Steinmetz und die Hausfrau koordinieren eine Gruppe von mittlerweile 32 engagierten Katholiken zwischen 36 und 88 Jahren im Eucharistischen Gebetskreis, der sich 2013, angeregt durch den Eucharistischen Kongress in Köln, in Wassenberg gebildet hat, um wöchentlich ein 24-Stunden-Gebet zu ermöglichen. Die Mitglieder griffen damit die alte Tradition des klösterlichen 24-Stunden-Gebetes auf und erinnern auch an das "Ewige Gebet", das bis heute von Pfarrei zu Pfarrei wandert.

Eine Gruppe von Mitgliedern des Gebetskreises hat sich im Wassenberger Pfarrhaus zum Gespräch mit uns zusammengefunden. Wir erfahren, dass jedes Mitglied dieses Kreises sich dazu bereiterklärt hat, eine Stunde oder auch mehr innerhalb dieser 24-Stunden in der Kapelle da zu sein - gestaltend durch Gebete, Gesang, Musik oder allein durch stille Anwesenheit. "Gerade wenn fremde Beter anwesend sind, deren Verfassung wir nicht kennen, bevorzugen wir die Stille", erläutert Nicole Walter. Die übrigens mit ihrem Mann aus Schwanenberg kommt, aber sich von der Wassenberger Tradition der stillen Anbetung vor den Gottesdiensten angezogen fühlte. Ähnlich wie Wolfgang Hütten und Ehefrau Juliane aus Unterbruch. Der Eucharistische Kreis ist offen für Gleichgesinnte - nicht nur aus Wassenberg.

Es sind fromme Menschen, die im Gebet Stärkung für ihren Alltag erfahren und sich nicht scheuen, engagiert darüber zu reden. Marlies Schmitz (59), Hausfrau aus der Wassenberger Oberstadt, gibt der Gebetskreis "Halt und Gemeinschaft". Sie bedauert ebenso wie die gebürtige Orsbeckerin Anna Hausmann (60), die heute in Heinsberg lebt, dass die Intensität des Gebets, wie beide sie in ihrer Kindheit erlebten, heute verflacht ist.

Für Andreas Walter ist es "ein ungeheures Geschenk, im Gebet dem Herrn so nahe zu sein". Ihn fasziniert die intensive Atmosphäre jeden Freitag in der Gebetskapelle. "Ich komme immer reich beschenkt zurück." Bekleidungstechnikern Annemarie Burgert (50) schätzt als Mutter von zwei Kindern gerade die nächtliche Stille nach der familiären Alltagshektik. Freiwillig und gern wählte sie die Nacht zwischen 12 und 1 Uhr als ihre Gebetsstunde, oft gemeinsam mit einer 87-jährigen Nachbarin. Diese Stille verbreite eine ganz besondere Atmosphäre: "Es ist für mich die schönste Stunde in der Woche, sie gibt mir innere Stärke."

Stärke durchs Gebet erfährt auch Juliane Hütten (65) - nicht nur freitags. Jeden Morgen zwischen 4 und 7 Uhr verbringt sie betend, "und anschließend fühle ich mich so stark", sagt sie strahlend. Dabei habe erst eine Exerzitien-Erfahrung vor sechs Jahren diese Wende gebracht. "Das Gebet hat uns beide verändert", bestätigt Ehemann Wolfgang.

Jesus als "ganz gegenwärtig, als Mittelpunkt des Lebens zu erleben", in der Heiligen Messe und im Gebet, ist auch für das Lehrerehepaar Violeta (41) und Arno (42) Zweden selbstverständlich. Von 2 bis 4 Uhr früh erleben beide als besonders intensive Zeit in der Oberstädter Gebetskapelle. "Manchmal kommen wir sogar erst um 6 Uhr nach Haus."

Solch innere Sicherheit sucht Eva Lingens-Seidl (68) erst noch zu erreichen. Die pensionierte Lehrerin sieht sich innerhalb des Gebetskreises "noch in einem Lernprozess". Aber sie schätzt die "innerliche Auseinandersetzung" und spürt, dass sie im Gebet zur Ruhe kommt. "Ich sehe darin eine große Chance. Nach einer schweren Erkrankung habe ich erfahren, dass Menschen für mich gebetet haben. Das möchte ich nun auch für andere tun."

(RP)
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