Wassenberg Festjahr im Zeichen des Umbruchs

Wassenberg · Der traditionsreiche Quartettverein Myhl feiert sein 90-jähriges Bestehen vor ernstem Hintergrund. Nach dem Tod des Vorsitzenden und dem angekündigten Abschied des Chorleiters gilt es, die Zukunft neu zu gestalten. Ein Gespräch.

 Jeden Mittwoch ist Probe des Quartettvereins Myhl in der Wassenberger Begegnungsstätte. Hermann Josef Kitschen leitet die Vorbereitungen auf das Festkonzert am Sonntag.

Jeden Mittwoch ist Probe des Quartettvereins Myhl in der Wassenberger Begegnungsstätte. Hermann Josef Kitschen leitet die Vorbereitungen auf das Festkonzert am Sonntag.

Foto: Jürgen Laaser

Verständlich, dass zwei Wochen nach dem überraschenden Tod des Vorsitzenden Hans Meetz vor dem Festkonzert zum 90-jährigen Bestehen des Quartettvereins Myhl am kommenden Sonntag keine ungetrübte Jubiläumsstimmung aufkommt. Dennoch hält der Chor wie berichtet - wohl ganz im Sinne des Verstorbenen - am Konzerttermin fest.

Vor diesem Hintergrund fallen Rückschau und Ausblick auf die Zukunft des Männerchores zwangsläufig etwas gedämpft aus beim Gespräch der Redaktion mit dem Ehrenvorsitzenden Norbert Rexing, Geschäftsführer Björn Tribukait und Chorleiter Hermann Josef Kitschen, der zum Jahresende seinen Rückzug angekündigt hat - nach beachtlichen 35 Jahren Verbundenheit mit dem Chor. So steht das Festjahr auch im Zeichen des Umbruchs und einer möglichen Umorientierung.

Mit offenem Blick für die Veränderungen der Zeit habe sich der Quartettverein schon seit längerem von "alten Zöpfen" verabschiedet, betont Kitschen. Das Klischee-Repertoire deutscher Männerchöre mit Chorsätzen "von Silcher & Co." wie es Kitschen ausdrückt, ist seit langem ausgeweitet auf ein vielfältiges, breites Programm mit modernen Akzenten. "Wir haben uns auch immer dagegen gewehrt, in Bierzelten mit schlechter Akustik zu singen und uns schon vor längerer Zeit vom reinen Männerchorkonzert verabschiedet, indem wir durch Gast-Ensembles und Solisten den Zuhörern vielfältige Musikrichtungen in Konzerten präsentieren. Zwei Stunden Männergesang ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Kitschen klipp und klar.

Männerchöre müssen sich wandeln - die Auffassung unterstützen auch Rexing und Tribukait, wenngleich sie die Tradition des Quartettvereins, der bei etlichen Mitgliedern geradezu Familienangelegenheit geworden ist, schätzen. Vater, Sohn, Brüder, Schwager singen mit und "vererbten" bislang nicht selten die Mitgliedschaft. Der Chor mit seinen 46 Aktiven gehört zudem immer noch zu den mitgliederstarken in der Region und hat längst auch etliche Sänger aus den Nachbargemeinden in seinen Reihen. "Aber auch bei uns gilt: Hauptzielgruppe sind die ,Silberlinge' ab 50, so mancher entdeckt erst als Ruheständler die Lust am Chorgesang. Wie alle Männerchöre teilen wir den hohen Altersdurchschnitt, der aktuell bei 70 Jahren liegt", sagt Norbert Rexing (68), selbst ein "Urgestein" des Chores, der 17 Jahre Vorsitzender war.

Nach der Rücktrittsankündigung von Chorleiter Kitschen aus gesundheitlichen und privaten Gründen habe man sich im Vorstand schon Gedanken darüber gemacht, ob ein Chor mit etlichen Sängern um die 80 eine Zukunft hat, bekennen Rexing und Tribukait. "Aber dann haben wir Gedanken an eine Auflösung auch wieder schnell verworfen, zumal niemand im Chor Ähnliches hat verlauten lassen. Wir sind derzeit groß genug, um auch das Ausscheiden älterer Mitglieder zu verkraften", sagt Tribukait. Aber der agile 68-Jährige sieht wie Rexing auch den Zwang zum Umdenken. Denkverbote soll es dabei nicht geben: ob es um eine Öffnung des Chores für Frauen, die Zusammenarbeit mit anderen Chören oder die Entwicklung von Projektchorangeboten geht, für die sich gerade Jüngere heute leichter gewinnen lassen als für feste Mitgliedschaften.

Vor dem Hintergrund solcher Offenheit sehen die Vorstandsmitglieder des Quartettvereins denn doch optimistisch in die Zukunft. Und wie sieht es mit einem Nachfolger für Kitschen aus? Geheimnisvolle Mienen, Lächeln - nun, ein Nachfolger sei schon ausgeguckt, sein Name wird aber noch nicht verraten. Erst wollen Chor und künftiger Leiter sich bei Proben mal intensiv beschnuppern.

In diesem Jahr freilich will der Chor seinen langjährigen Leiter Hermann Josef Kitschen - der sich als Gründer des Wassenberger Kulturfördervereins nach 20 Jahren auch hier als Vorsitzender verabschiedet - nach Kräften beim festlichen Ausstand unterstützen. Nach dem Konzert am 2. April gestaltet der Quartettverein am 15. Oktober das große Benefizkonzert in der Myhler Kirche (fürs Schulgeldprojekt von Pater Tanye) mit und lädt am 17. Dezember zum festlichen Weihnachtskonzert ins Gesamtschul-Forum ein.

(RP)
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