Wassenberg Kriegskinder erleben Frieden

Wassenberg · Karl Lieck hat Erinnerungen an seine Kindheit 1933 bis 1949 in seinem Buch "Heimweh" niedergeschrieben.

 Karl Lieck erinnert sich, trotz Krieg und Armut, an manch Schönes in seiner Jugend. Aber man habe wohl das Negative auch oft verdrängt.

Karl Lieck erinnert sich, trotz Krieg und Armut, an manch Schönes in seiner Jugend. Aber man habe wohl das Negative auch oft verdrängt.

Foto: J. Laaser

Kindheit in NS-Zeit und Krieg - die Generation von Karl Lieck und Theo Schläger hat Erfahrungen gemacht, die man heute als traumatisch beschreiben würde und doch musste es ihnen gelingen, mit der "Normalität" des Krieges zu leben. Der heute 84-jährige frühere Lehrer Karl Lieck hat das in seinem Büchlein "Heimweh - Erinnerungen an eine Kindheit 1933 - 1949" aufgeschrieben. Darin berichtet er von der "Normalität" einer Jugend im vergleichsweise komfortablen Siedlerhaus am Wassenberger Stern - ohne Badezimmer, (lange) ohne elektrisches Licht, mit Pumpsklo im Haus, was schon Komfort bedeutete, denn andere mussten dazu in Hof oder Garten.

 So erlebten die Familien, die aus der Evakuierung heimkehrten, ihre Heimat: (v.l.) Wassenberg mit dem zerstörten Roßtor und dem Trümmerfeld der Propsteikirche St. Georg, das zerstörte Erkelenz (Luftbild), Holzkruzifix nach Granatenbeschuss in Baal und die zerstörte Eisenbahnbrücke in Wassenberg.

So erlebten die Familien, die aus der Evakuierung heimkehrten, ihre Heimat: (v.l.) Wassenberg mit dem zerstörten Roßtor und dem Trümmerfeld der Propsteikirche St. Georg, das zerstörte Erkelenz (Luftbild), Holzkruzifix nach Granatenbeschuss in Baal und die zerstörte Eisenbahnbrücke in Wassenberg.

Foto: Archiv Heimatverein Wassenberg/Heimatverein Erkelenzer Lande/ Stadtarchiv Hückelhoven

Er erzählt von den selbstverständlichen Prügelstrafen in der Schule, der Besenbinder-Arbeit des Vaters, der für den Kriegseinsatz schon zu alt war, und dem Nazi-Brimborium bei der Einführung als Pimpf in die Hitlerjugend: "Ich kam mir sehr wichtig vor." Wie Krieg die Erfahrung der Kinder prägte, zeigt Liecks Kapitel "Krieg und Spiele": Jungs, die sich 1939 im Beutelager an der Bergstraße mit Stahlhelmen, Patronentaschen, Feldflaschen und Militärspaten versorgten, um als Lieck-Kompanie Schützengräben auszuheben und gegen die Molles-Kompanie zu Felde zu ziehen - den Mädchen oblag die Versorgung der "Kriegsverletzten" als Krankenschwestern. Anschließend wurde dann Völkerball gespielt - wieder unter Freunden. Aus Spiel wird Ernst: Lieck erlebt den Absturz eines brennenden amerikanischen Bombers in 400 Meter Entfernung vom Elternhaus, "drei Besatzungsmitglieder lagen tot unter ihren Fallschirmen", später zielen amerikanische Tiefflieger auf ihn und seine Schwester am hellen Tag beim Spielen im Feld.

Wassenberg: Kriegskinder erleben Frieden
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Dann doch in letzter Minute die Evakuierung ins erst noch friedliche Sachsen, nach dem Angriff auf Dresden erneut Flucht, nach Bayern. Nach Kriegsende die abenteuerliche Rückreise. Fahrten in Viehwaggons, Kilometer lange Fußmärsche, der 15-jährige Bruder Leo wird noch im März 1945 "gezwungen, freiwillig Soldat zu werden" (Lieck), im amerikanischen Gefangenenlager Ingolstadt wird er 16. "Unser Haus war Gott sei Dank nur leicht beschädigt", aber leergeräumt, beschreibt Lieck die Rückkehr nach Wassenberg. "In einem unserer Sessel saß vor Kranen & Gobbers ein britischer Wachsoldat."

(RP)
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