Wegberg Bewegung als Gestaltungsmittel

Wegberg · Zu Gast bei Johann Wittmann in der Atelieretage. Der Künstler mag es, in sich komplexe Bilder mit perspektivischem Anspruch zu malen. Um die Bildaussage ganz erfassen zu können, ist intensive Betrachtung empfehlenswert.

 Hüte ohne Ende und mittendrin ein kleiner Mensch - ironische Distanz findet man in Johann Wittmanns Werk ebenso wie dramatische Naturstudien.

Hüte ohne Ende und mittendrin ein kleiner Mensch - ironische Distanz findet man in Johann Wittmanns Werk ebenso wie dramatische Naturstudien.

Foto: Nicole Peters

Der Einzug in die ehemalige Klosterzelle im Alten Karmeliterkloster stellte für Johann Wittmann die Chance dar, seine Maltätigkeit intensivieren zu können. Hier habe er absolute Ruhe, sagt er, und es sei eine besondere, inspirierende Atmosphäre, die in diesem Gemäuer herrsche. Gemalt hat er aber schon immer, auch als kleiner Junge, und er hat einige Zeichenkurse besucht. Beruflich hatte er sich dann für den Ingenieur entschieden, behielt aber das Malen immer bei.

Wittmann ist einer der zehn Künstler, die in der Atelieretage im zweiten Geschoss des Klosters tätig sind. Er mag es sehr gerne, in sich komplexe Bilder mit perspektivischem Anspruch zu malen, bei denen sich mehrmaliges Hinsehen empfiehlt. Bei Johann Wittmann sind es vor allem die großformatigen Gemälde mit Ansammlungen von Gesichtern, sich bewegenden oder Hüte tragenden Menschen, die ins Auge fallen. Dabei kommt der eingenommenen Perspektive des Malers eine wichtige Bedeutung für den Bildaufbau zu.

"Alles fing mit einem kleinen Foto vom New-York-Marathon an, das ich in einer Zeitschrift gesehen habe", erzählt er, "die Ansicht war von oben auf die Läufer." Die Menschen waren als Punkte, die sich bewegten, zu sehen. Ein Anblick, der den Maler faszinierte und ihn vor etwa 15 Jahren auf die den Reihen-Bildern zugrundeliegende Idee brachte: "Bilder zu malen, in denen Bewegung stattfindet und auf die man richtig gucken muss, um die ganze Bildaussage zu erfassen." Um eine seiner Ansicht nach optimale Helligkeit und Farbigkeit erreichen zu können, stellt er die Gemälde während des Malprozesses auch schon mal ans Kopfende des Flures und bewegt sich unterschiedlich weit von ihnen weg. Ebenso ist es bei den fertigen Werken sehr aufschlussreich, sie auch von weitem zu betrachten - die leicht aufgelösten Formen erscheinen so definierter und die räumliche Wirkung ist verstärkt.

Ihm sei auf diese Weise eine ganz andere Darstellung von Menschen möglich, beschreibt Wittmann die Entwicklung. Frontal abgebildet oder rückwärtig, den Bildraum komplett als Masse ohne Platz zwischen den Individuen ausfüllend oder mit Horizont - durch Perspektivwechsel und Vorgabe der Blickrichtung wirkt jedes Bild anders, selbst wenn die Motive mehrmals aufgegriffen werden. Dabei stellt Wittmann mit dezenten, witzigen Kontrasten zusätzlich Stimmung her. "Meistens male ich mit Ölfarben, die ich sehr verdünnt verwende", sagt er. Mit ihnen gelinge eine bessere Farbigkeit. Gern fertigt er auch Bilder von reiner Natur an, bei denen er zunehmend Farben und Formen auflöst. Wälder und Seen findet er toll, sie würden gar nicht genügend wahrgenommen. Dabei ist er bei allen Gemälden stets bestrebt, einen Wiedererkennungswert zu schaffen und bezeichnet sich selbst als sehr experimentierfreudig.

Eine weitere Gestaltungsvariante sind Collagen. Text- oder Illustrationsvorlagen versieht er mit eigenen, teils aquarellierten Zeichnungen und Malereien: Zur Abbildung eines Plattenwohnbaus etwa fügt er Tier und Pflanzen hinzu. Oder man sieht jubelnde nordkoreanische, gleich gekleidete Frauen während der Winterolympiade zum Werbespruch "Premier Strumpf ist Trumpf - Entzücken und Begeisterung bei all seinen Anhängern".

(cole)
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