Wallraff-Recherche Eltern nach TV-Bericht über Gammelfleisch verunsichert

Wegberg · Vitesca liefert täglich rund 230 Speisen an Schulen und Kindergärten in Arsbeck, Wildenrath und Klinkum. Das Unternehmen soll altes Hackfleisch verarbeitet haben. Viele Eltern sind besorgt.

Aufregung herrscht an den Grundschulen Arsbeck und Wildenrath, nachdem am Montagabend in der RTL-Sendung "Team Wallraff" das Fazit zum Thema Schulverpflegung erschreckend ausgefallen war: Hackfleisch, neun Monate über dem Verfallsdatum, Gammel-Gemüse und jede Menge Glutamat im Essen, das an Schulen und Kindertagesstätten ausgeliefert wird. In der Sendung fiel auch der Name Vitesca. Das Catering-Unternehmen aus Wuppertal liefert insgesamt rund 230 Speisen pro Tag an die Grundschulen in Arsbeck und Wildenrath sowie an das städtische Familienzentrum "Sonnenschein" in Arsbeck und den Kindergarten "Farbenfroh" in Klinkum.

"Wir hatten heute viele Anrufe besorgter Eltern", sagt Gisela Unland, Leiterin der Katholischen Grundschule Arsbeck mit dem Teilstandort Wildenrath. Seit acht Jahren liefert Vitesca das Essen für die Arsbecker Grundschule - bisher ohne Auffälligkeiten: "Joghurt, Salate und Obst sind frisch, die Speisen schmecken gut", sagt Gisela Unland. Das Mittagessen wird von Vitesca gekocht, im sogenannten Cook & Chill-Verfahren weiter verarbeitet und ausgeliefert. "In unserer Küche wird das Essen schonend zu Ende gegart und erwärmt, auf Schüsseln und Platten verteilt und für die einzelnen Tische vorbereitet", erklärt Gisela Unland. Das Cook & Chill-Verfahren bietet für die Schulen in Arsbeck und Wildenrath den Vorteil, dass die Speisen zu unterschiedlichen Zeiten aufbereitet werden können und dann ganz frisch sind. "Wir essen in festen Gruppen zu drei verschiedenen Zeiten, um 11.35, 12.20 oder 13.10 Uhr, je nach Unterrichtsende der einzelnen Klassen", sagt Gisela Unland.

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Foto: Ewa Studio/ Shutterstock.com

Auch im städtischen Familienzentrum "Sonnenschein" in Arsbeck liefen gestern die Drähte heiß. Besorgte Eltern wollten wissen, was dran ist am TV-Bericht des "Team Wallraff". Einrichtungsleiterin Sonja Hartmann-Bücken formulierte in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung einen Elternbrief und gab diesen den Kindern mit nach Hause. Darin heißt es: "Auch wir waren verwundert über die Missstände, die dort aufgedeckt wurden. Selbstverständlich haben wir uns sofort mit dem Thema beschäftigt und Kontakt mit der Firma aufgenommen."

Das Familienzentrum verweist im Elternbrief auf die Stellungnahme von Vitesca zur TV-Sendung. Diese hat das Unternehmen auf seiner Internetseite veröffentlicht. Darin werden die meisten Vorwürfe zurückgewiesen und die vermeintlichen Missstände als falsch dargestellt deklariert. Einzig die Verwendung von Bio-Rinderhackfleisch, bei dem das Mindesthaltbarkeitsdatum längst abgelaufen war, räumt das Unternehmen in seiner Stellungnahme ein - mutmaßlich eine Verwechslung, die nicht aufgefallen sei, "weil das Fleisch sensorisch noch einwandfrei war. Gleichwohl hätte dieser Fehler nicht passieren dürfen", heißt es bei Vitesca. Das Unternehmen weist auch darauf hin, dass die zuständige Lebensmittelüberwachung erst im Januar 2015 nach einer unangemeldeten Kontrolle Vitesca mit "gut" bis "sehr gut" beurteilt habe. Das Team Wallraff hatte seine TV-Aufnahmen im Herbst 2014 gemacht. "Mit Entsetzen und Betroffenheit müssen wir feststellen, dass hier ein Zerrbild gezeichnet wurde, das die Realität in weiten Teilen auf den Kopf stellt", teilt Vitesca mit. In der fast 50-jährigen Unternehmensgeschichte seien "noch niemals Kunden durch unsere Mahlzeiten zu Schaden gekommen".

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Die Rechercheergebnisse des "Team Wallraff" sind natürlich auch bei den Mitarbeitern der Heinsberger Kreisverwaltung Thema. Allerdings sind die sieben Lebensmittelkontrolleure des Kreises Heinsberg nicht direkt mit dem Fall beschäftigt. "Das Essen für Schulen und Kindergärten wird üblicherweise nicht in den jeweiligen Einrichtungen, sondern direkt in der Produktionsstätte kontrolliert", erklärt Pressesprecher Ulrich Hollwitz. "Etwas anderes ist es natürlich, wenn in einer Einrichtung mehrere Kinder nach dem Mittagessen über Durchfall oder Übelkeit klagen", erklärt er. In einem solchen Fall würden die Lebensmittelkontrolleure die Reste der Mahlzeiten sofort kontrollieren.

Die Arsbecker Schulleiterin Gisela Unland hat Verständnis für die Sorgen der Eltern. Sie hat aber auch weiterhin Vertrauen in das Qualitätsversprechen von Vitesca: "Das Unternehmen geht sehr offen mit den Vorwürfen um und hat uns schon vor Ausstrahlung der TV-Sendung informiert", sagt sie. Außerdem lade das Unternehmen interessierte Eltern, die Fragen zu Herstellung oder Verarbeitungsprozessen bei Vitesca haben, zu einem Besuch in die Produktionsstätte ein. Die Kommunikation sei in der Vergangenheit stets reibungslos gelaufen und Vitesca gehe sehr offen mit Fragen um. "Wir haben bisher wirklich gute Erfahrungen gemacht", sagt Gisela Unland.

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Ähnlich äußert sich das Team vom Arsbecker Familienzentrum Sonnenschein im Elternbrief: "Wir von unserer Seite können sagen, dass wir über die Inhalte der Sendung sehr überrascht waren, denn seit 2008 beziehen wir unser Essen über diese Firma, und es hat bislang nie Probleme in jeglicher Hinsicht gegeben. Im Gegenteil, wir arbeiten sehr kooperativ miteinander."

(RP)
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