Wegberg Erinnerungen an die alte Heimat

Wegberg · Hauchdünne Pfannkuchen, die Blinis heißen, Volkslieder aus der früheren Sowjetunion: Auf Einladung des Aktionskreises Wegberger Mühle brachten die Mitglieder des Erkelenzer Frauenchors Rjabinuschka ihre Kultur näher.

Der Erkelenzer Frauenchor Rjabinuschka unter der Leitung von Nadeschda Reder begeisterte in der Wegberger Mühle. Begleitet wurden die 15 Sängerinnen von Akkordeonspieler Willi Zach.

Der Erkelenzer Frauenchor Rjabinuschka unter der Leitung von Nadeschda Reder begeisterte in der Wegberger Mühle. Begleitet wurden die 15 Sängerinnen von Akkordeonspieler Willi Zach.

Foto: Jürgen Laaser

Für den geschichtlichen Hintergrund war Margret Fügener zuständig. Die gelernte Sozialpädagogin, die auf Usedom aufwuchs und zu DDR-Zeiten in der Schule Russisch lernte, kümmerte sich 16 Jahre lang im Auftrag des Sozialamtes der Stadt Erkelenz um die zahlreichen Russlanddeutschen, die zunächst im Bauxhof Wohnungen bezogen. Fügener, seit vielen Jahren in Beeck zu Hause, erläuterte, dass es bereits anno 1652 in Moskau eine "Deutsche Vorstadt" gegeben habe.

Als Zarin Katharina II. im Jahr 1763 ein Einwanderungsmanifest erlassen habe, um entvölkerte Gebiete, aus denen die Türken verjagt worden seien, neu zu besiedeln, habe sie dabei vor allem an deutsche Handwerker und Bauern gedacht. Als Vorteile habe sie ihnen beispielsweise Landbesitz, Religionsfreiheit, zehn Jahre Steuerfreiheit und Befreiung von der Wehrpflicht zugesichert. Vor allem Bauersfamilien hätten daraufhin Deutschland verlassen, da das Erbrecht, nach dem immer der Älteste erbte, viele Söhne ohne Besitz dastehen gelassen habe.

"Die ersten Jahre waren schwer, aber der deutsche Fleiß führte bald zum Erfolg", erläuterte Margret Fügener, die eine alte Landkarte aus den 1950er Jahren mitgebracht hatte in die Wegberger Mühle, um das Gebiet der früheren Sowjetunion darzustellen. Deutsche Gebiete habe es unter anderem im Kaukasus, in der Ukraine und auf der Krim gegeben. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges seien die Deutschen zahlreichen Restriktionen unterzogen worden, obwohl etwa 300 000 von ihnen in der russischen Armee gedient hätten.

Auch der Zweite Weltkrieg brachte viele Nachteile für die Ausgewanderten mit sich. So sei 1941 beschlossen worden, die Deutschen aus der Wolgarepublik nach Sibirien und Zentralasien umzusiedeln. Fügener: "Die deutsche Sprache wurde verboten, viele wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet." Bis 1955 hätten sie unter Kommandaturaufsicht gelebt, hätten folglich nicht umziehen dürfen und auch keine Dokumente erhalten wie Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden. Ein neues Ausreisegesetz, das 1987 in Kraft getreten sei, habe für einen starken Anstieg der Aussiedlerzahlen gesorgt. 1994 seien schon über 200 000 zu verzeichnen gewesen. Für die Ausreise nach Deutschland seien verschiedene Bedingungen zu erfüllen gewesen, deutsche Sprachkenntnisse, Kenntnisse der Geschichte der Russlanddeutschen sowie der eigenen Familie, eine Eintragung der deutschen Nationalität im russischen Pass.

Der Erkelenzer Frauenchor Rjabinuschka (übersetzt: Eberesche, Vogelbeere) unter der Leitung von Nadeschda Reder begeisterte in roten und grünen Kostümen, die die Farben des Baums symbolisieren sollten. Begleitet wurden die 15 Sängerinnen von Akkordeonspieler Willi Zach. Als Hommage an ihre neue Heimat stimmten sie das Lied "Mein Erkelenz" an, um ihre Zuhörer dann mit selbst gebackenen Blinis zu verwöhnen.

(cb)
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