Wegberg "Heutzutage wäre Luther bei Twitter"

Wegberg · Die Zusammenarbeit von katholischer und evangelischer Kirche stand bei einem Themenabend des Aktionskreises Wegberger Mühle im Mittelpunkt.

Als vortragende Gäste hatte der Aktionskreis Wegberger Mühle (AWM) Pfarrerin Jutta Wagner von der Evangelischen Kirchengemeinde und Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran von der Pfarrei St. Martin eingeladen. Nach der Begrüßung durch die Vertreterin des Aktionskreises, Hedwig Klein, griffen Wagner und Tran zunächst die historische Entwicklung der Reformation auf.

Vor genau 500 Jahren führte ein ganzes Bündel von Ursachen zur Reformation. Einen entscheidenden Beitrag leistete der Mönch Martin Luther. Er war nicht der erste Kritiker der katholischen Kirche, denn bereits 100 Jahre zuvor wurden erste Grundlagen reformatorischen Gedankenguts gelegt. Mit seinen 95 Thesen, die unter anderem gegen die extremen Ablasspraktiken der katholischen Kirche gerichtet waren, setzte er jedoch den Impuls für den endgültigen Beginn des Reformationsprozesses.

Dies gelang ihm ebenfalls durch seine "Medienaffinität", erzählte Pfarrerin Jutta Wagner. "Meinen Schülern sage ich immer: Heute wäre Luther bei Twitter", denn Luther habe gewusst, wie er seine Thesen schnell und einfach mittels Flugblättern verbreiten könne. Eine Aufgabe, die heute soziale Netzwerke übernehmen. In ihrem wechselseitigen Dialog tauschten Wagner und Tran sowohl Anekdoten aus aber ließen auch kritische Aspekte des Reformationsprozesses nicht außen vor.

Insbesondere verwies Wagner auf Luthers Judenfeindschaft, die er in seinen Spätschriften zum Ausdruck brachte. Hierdurch habe die frisch gegründete evangelische Kirche Schuld auf sich geladen. Wenn man von der Geschichte der Reformation spreche, so müsse man somit auch immer von einer Schuldgeschichte sprechen, konkretisierte sie.

Obgleich die Reformation für die evangelische Kirche eine Befreiung dargestellt habe, innerhalb der katholischen Kirche habe sie jedoch einen Schock ausgelöst, erläuterte Pfarrer Tran die Sichtweise der katholischen Kirche: "Für sie war Luther ein Zerstörer von Moral und Einheit". Trotz der danach aufkommenden Forderung nach Erneuerung und Reorganisation verweilten die katholische und evangelische Kirche die nächsten 450 Jahre in einem Verhältnis deutlicher Ablehnung und Abgrenzung voneinander. Schließlich entstand nichtsdestotrotz der Wunsch nach dem friedlichen Zusammenleben beider Kirchen.

Grundlage der heutigen Zusammenarbeit ist das von Papst Johannes XXIII. initiierte Zweite Vatikanische Konzil, das sich die Erneuerung und Vertiefung des Glaubens, eine neue Positionierung der Kirche innerhalb der Gesellschaft, vor allem aber auch die Einheit aller Christen zur Aufgabe setzte. Seitdem habe es viele Annäherungen zwischen katholischer und evangelischer Kirche gegeben. In diesem Zusammenhang betonte Pfarrer Tran, dass es wichtig sei, Verständnis für einander aufzubringen, aufeinander zu zugehen, sich aktiv für die Einheitsperspektive einzusetzen und diesbezüglich endlich Verbindlichkeiten zu schaffen. "Uns verbindet mehr, als uns trennt", unterstrich er die Gemeinsamkeiten zwischen evangelischer und katholischer Kirche.

Jutta Wagner verwies auf den ökumenischen Gottesdienst, der zu Beginn des Reformationsjahres in der schwedischen Stadt Lund abgehalten wurde. In einem Gebet hatte Papst Franziskus Martin Luther gewürdigt und so einen weiteren Schritt in Richtung Einheit gemacht.

Wagner und Tran hoben hervor, dass die Ökumene in Wegberg bereits aktiv gelebt werde, unter anderem durch ökumenische Gottesdienste, Friedensgebete, die Überbringung des Ostergrußes sowie ökumenische Gesprächskreise. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Zusammenarbeit von Diakonie und Caritas sowie der gemeinsamen Koordination der Flüchtlingshilfe. Tran fügte hinzu: "Bei uns geschieht Ökumene unaufgeregt.".

Die beiden Kirchen befänden sich auf einem vielversprechenden Weg, fasste Hedwig Klein zum Abschluss der Veranstaltung zusammen. Das Miteinander von katholischer und evangelischer Kirche sei in seiner heutigen Art und Weise noch vor fünfzig Jahren nicht denkbar gewesen. Doch in den letzten Jahren sei die Zusammenarbeit auf der gemeinsamen christlichen Grundlage, der Nächstenliebe, stetig erweitert worden und es gebe die Aussicht auf eine gemeinsame christliche Zukunft.

(kagi)
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