Wegberg Klinikskandal war der Anfang vom Ende

Wegberg · Das Wegberger Krankenhaus hat in seiner 112-jährigen Geschichte viele Höhen und Tiefen erlebt. Mehrfach stand die Klinik vor dem Aus. Doch weil die Wegberger zu "ihrem Krankenhaus" standen, gelang es immer wieder, die "Keimzelle der Nächstenliebe", wie die Ordensschwestern das Krankenhaus nannten, zu retten. Bis gestern.

Mitte der 1970er Jahre sollte das Haus in eine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie umgewandelt werden und nicht mehr als Krankenhaus für die Grundversorgung der Bürger existieren - eine beispielhafte Protestaktion der Wegberger, unterstützt von Politik, Kirche, Ärzteschaft und Wirtschaft, verhinderte dies. Am 1. April 1992 - manch einer dachte an einen Aprilscherz - verkündete der damalige Kölner Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes, dass das Wegberger Krankenhaus zum 1. Januar 1996 geschlossen wird - doch die Regionalkonferenz entschied anders. Wieder war das Wegberger St. Antonius Krankenhaus gerettet.

2005, als der wirtschaftliche Kollaps drohte, das Haus Kosten in Höhe von 20.000 Euro pro Tag verursachte und den städtischen Haushalt unter Druck setzte, wurden die Weichen für den Verkauf des Krankenhauses an Dr. Arnold Pier gestellt. Zum 1. Februar 2006 erwarb er die Gesellschafteranteile für 26.000 Euro. Was von der damaligen Bürgermeisterin Hedwig Klein hoffnungsvoll als "Ein guter Tag für Wegberg" beschrieben wurde, sollte sich später als Anfang vom Ende herausstellen. Anonyme Anzeige, Hausdurchsuchungen, Festnahme, Verhöre - jahrelang erschütterte der Klinikskandal das Haus. An dessen Ende verurteilte das Landgericht Mönchengladbach den früheren Chefarzt und Eigentümer der St. Antonius Klinik in einem der größten Arztstrafrechtsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik im März 2011 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und einem vierjährigen Berufsverbot. Die unglaublichen Vorgänge im OP-Saal des Wegberger Krankenhauses, wo Wunden mit Zitronensaft behandelt und Patienten ohne Einwilligung und ohne, dass dies aus medizinischer Sicht geboten gewesen wäre, Blinddärme, Gallenblase und Niere entnommen wurden, verursachten einen Imageschaden, von dem sich das 93-Bettenhaus nie mehr ganz erholen konnte. Nach dem Klinikskandal wollten auch die Wegberger nicht mehr. Das Gros der Patienten entschied sich für andere Häuser. Dagegen kam auch die neue Klinikchefin Dany Molz nicht an. Nach dem Klinikskandal war das Aus für das Wegberger Krankenhaus nur noch eine Frage der Zeit. Jetzt ist es soweit.

Für die Bürger der Stadt Wegberg ist die Schließung ein großer Verlust. Sie verlieren ein Krankenhaus der Grundversorgung, das jahrzehntelang für Erkrankte eine erste Anlaufstelle war. Besonders bitter ist der Schritt für diejenigen, die noch die guten Zeiten des Krankenhauses in städtischer und kirchlicher Trägerschaft kennen, und die damals erfolgreich für den Fortbestand gekämpft haben - auch, weil sie trotz gegenläufiger Bestrebungen in der Gesundheitspolitik nie an der Existenzberechtigung kleiner Krankenhäuser in ländlichen Gegenden gezweifelt haben.

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