Wegberg Reetdachgehöft in Schwaam wird 400

Wegberg · Der Wegberger Ortsteil Schwaam ist für seine Reetdachhäuser bekannt. Das Gehöft von Familie Geerkens existiert seit 400 Jahren. Zum Jubiläum lädt die Familie mit Unterstützung der Dorfgemeinschaft zum Tag der offenen Tür ein.

Wegberg: Reetdachgehöft in Schwaam wird 400
Foto: Ruth Klapproth

Heinrich Geerkens kann es trotz seiner stolzen 88 Lebensjahre nicht lassen: "Napoleon kam damals wegen eines hübschen Mädchens nach Schwaam", sagt der gut gelaunte Senior. Aus voller Überzeugung berichtet der Hausherr, dass Napoleon Bonaparte, der nur 1,50 Meter große Feldherr und Kaiser, einst auf seinem Gehöft in Schwaam genächtigt haben soll. Freilich, nach einem Beweis für Napoleons Nacht im Tal der Mühlen suchen Heimatforscher bislang vergeblich. Doch das ist Heinrich Geerkens egal. Der weißhaarige Hausherr zeigt auf die alte Treppe aus schwerem Eichenholz, die ins Dachgeschoss führt. "Da oben steht Napoleons Bett, gehen Sie ruhig mal gucken"

Seit genau 400 Jahren gibt es das wunderschöne Reetdachgehöft der Familie Geerkens in Schwaam. Die bewegte Geschichte von Haus, Hof und Bewohnern steht im Mittelpunkt eines Tages der offenen Tür, zu dem Familie Geerkens anlässlich des besonderen Jubiläums für Sonntag, 28. August, von 11 bis 17 Uhr einlädt. Heinrichs Kinder Johannes (58) und Adele, die ihren Vater Heinrich pflegt und mit ihm in auf dem denkmalgeschützten Reetdachgehöft lebt, werden die Besucher an diesem Tag durch Haus und Hof führen. Dort gibt es viel zu entdecken. Nicht nur die alten Gemäuer, das Reetdach und die Fachwerkkonstruktion sind hochinteressant. Dank der Sammelleidenschaft von Vater Heinrich ist während der vergangenen Jahrzehnte in den Räumen und im Innenhof eine Ausstellung entstanden, die der eines kleines Heimat- und Familienmuseums ähnelt: Historische und geschichtliche Dokumente, bis zu 250 Jahre alte Marienbilder, Grabsteine, alte Familienfotos, Grabschmuck, Nähmaschinen, christliche Holzfiguren und alte Schulbücher sind in Haus Geerkens in jeder Ecke zu sehen. In einem kleinen Raum unterhalb der ehemaligen Scheune hat Heinrich Geerkens alte Bilder, Dokumente und Gegenstände aus der Franzosenzeit gesammelt. Oben auf dem Speicher und im Gewölbekeller finden sich historische Geräte aus der Land- und Forstwirtschaft.

Heinrich Geerkens hat seine Familie als Landwirt ernährt. Den heimischen Hof in Ordnung zu halten, machte er zu seiner Lebensaufgabe. Als ältester Sohn hat Johannes Geerkens den landwirtschaftlichen Betrieb in den 1990er Jahren von seinem Vater übernommen und einige Jahre weitergeführt. Heute wohnt der Sohn 50 Meter von Haus Geerkens entfernt. "Aber ich bin täglich hier", sagt er. Sein Herz hängt an seinem Elternhaus.

Der Gewölbekeller unterhalb von Haus Geerkens ist über eine steile Treppe vom Innenhof aus zu erreichen. Dort ist die Jahreszahl 1616, dem Baujahr der Hofanlage, an der weißen Wand zu sehen. Besonders interessant ist der Fußboden. Er ist aus flachen Kieselsteinen als Mosaik verlegt. "Das gibt es im Kreis Heinsberg nur zweimal", sagt Johannes Geerkens. Dass sein Vater offenkundig ein besonders Verhältnis zu Steinen hat, ist schon auf dem Innenhof zu sehen: Etliche Wandbilder hängen dort, gestaltet mit Kieselsteinen, Tannenzapfen und Nussschalen. Viele tragen den Schriftzug "Stein im Brett".

Draußen an der Giebelwand über der alten Eingangstüre mit dem Türklopfer aus schwerem Gusseisen formen die Maueranker die Jahreszahl 1744. Damals wurde das Haus nach Auskunft von Familie Geerkens umgebaut, erweitert und das Fachwerk im Erdgeschoss durch Backsein ersetzt. Die Jahreszahl 1616 ist etwas weiter oben in einem ausgemauerten Gefach des Giebels aus Fachwerk zu erkennen.

Zu fast jedem Ausstellungsstück weiß Johannes Geerkens eine Geschichte zu erzählen. Und wenn er dann doch mal nicht weiter weiß, braucht er nur seinen Vater zu fragen. Heinrich Geerkens lässt keine Frage unbeantwortet. Auch nicht die, wo Napoleon genächtigt haben soll: "In der Knechtkammer." Diese befindet sich im Dachgeschoss von Haus Geerkens. Knarzend öffnet sich die dunkle Holztüre: Ein Holzbett, davor ein paar Holzschuhe, ein Tierfell, ein uraltes Nachtschränkchen mit Wasserkanne, ein Nachttopf, ein Eimer und zwei Gewänder an der Wand - so präsentiert sich die Knechtkammer. Bis 1917 soll in der Kammer tatsächlich der Hofknecht genächtigt haben. "Stanislaus Lusz", antwortet Heinrich Geerkens auf die Frage des Sohnes nach seinem Namen. Doch eigentlich redet Vater Heinrich lieber über Napoleon. Und dessen weiblichen Schwarm in Schwaam: "In das Bett passen doch auch zwei Personen."

(RP)
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