Analyse 378 Stimmen hätten 2014 für Einzelkandidat gereicht

Wermelskirchen · Die 2,5-Prozent-Klausel für Räte und Kreistage ist gefallen. Der Bürgermeister befürchtet eine Zersplitterung des Stadtrates mit der Folge, dass den ehrenamtlichen Einzelbewerbern Fachwissen fehlt. Das würde die Arbeit in Gremien und Verwaltung erschweren.

 Jutta Hildner (Ex-CDU)

Jutta Hildner (Ex-CDU)

Foto: Manfred Esser

Droht mit der neuerlichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Münster zur Sperrklausel bei Kommunalwahlen eine Zersplitterung des Stadtrates? Ja, möchte man meinen. Seit die Sperrklausel von fünf Prozent im Jahr 1999 aufgehoben wurde, sind immer mehr Kleinstparteien, Protestgruppen und Einzelvertreter in den Räten vertreten. Gab es einst in Wermelskirchen nur CDU, SPD, FDP und Grüne, haben wir mit WNKUWG und Bürgerforum seit Jahren neue politische Kräfte, die sicher nicht als Kleinstparteien abzuwürdigen sind. Die WNK gründete sich 1996, Büfo 2003. Anders ist es mit AfD und Linke. Die AfD zog bei der letzten Kommunalwahl mit zwei Vertretern als Gruppe ein, die Linke zum zweiten Mal. Beide aber haben politisch keine Bedeutung in Wermelskirchen: Beide haben sich als Gruppe aufgelöst.

In Wermelskirchen gibt es sechs Fraktion: CDU mit 18 Sitzen, SPD mit elf, WNKUWG mit sieben, Bürgerforum mit fünf, Grüne mit fünf, und FDP mit drei. Inzwischen gibt es fünf Einzelbewerber, von denen sich drei von bisherigen Fraktionen/Gruppen abgesplittert haben: Jutta Hildner (Ex-CDU), Hans-Walter Schenk (Ex-FDP) und Andreas Müßener (Ex-AfD, jetzt "Zukunft Deutschland"). Damit sind Karl Springer (AfD) und Rainer Schneider (Linke) ebenfalls Einzel-"Kämpfer".

Alle haben eins gemeinsam: Sie müssen die Arbeit leisten, die sonst eine mehrköpfige Fraktion umsetzt. Was nicht machbar ist. Entsprechend wenig hört man von ihnen in den Debatten. Sie fristen ihr Dasein. Es fehlen zeitweilig Fachinformationen, die in Fraktionen zusammengetragen werden.

Das sieht auch der Bürgermeister als ein großes Problem an. "Ich sitze in anderen Gremien, wo es Einzelbewerber gibt. Dort kommen viele Nachfragen, weil sie das Sachthema nicht aufgearbeitet bekommen. Das Fachwissen fehlt, das in Fraktionen vorhanden ist. Damit wird dann die Arbeit in den Gremien und der Verwaltungen blockiert", sagt Rainer Bleek.

Nun hat das Verfassungsgericht auch die 2,5-Prozent-Sperrklausel für Räte und Kreistage aufgehoben. So befürchtet bereits der Landkreistag NRW eine weitere Zersplitterung der Räte und Kreistage und bedauert dieses Urteil. Das sieht auch der Bürgermeister so. "Ich befürchtet eine verstärkte Zahl von Einzelbewerbern bei der nächsten Kommunalwahl." Die fünf Prozent-Hürde sei schließlich eingeführt worden mit dem Wissen, was in der Weimarer Republik geschehen sei. "Ich kann nicht nachvollziehen, warum das Verfassungsgericht dieses Urteil gefällt hat. Hier hätte eine Abwägung der Wahlgleichheit und der Störung der Funktionsfähigkeit eines Rates stattfinden müssen Ich halte dieses Urteil für überzogen."

Ratsmitglieder seien immerhin ehrenamtlich tätig. Deshalb hätte ein Interesse bestehen müssen, Entwicklungsprozesse nicht übermäßig kompliziert zu gestalten. Das sei aber nicht geschehen.

Die fünf Einzelbewerber erhalten übrigens 72 Euro zusätzlich zu ihrer Aufwandsentschädigung von 197,70 Euro als Ratsmitglied. Quasi als monatliche Geschäftskostenführung. Die erhält sonst nur eine Fraktion (CDU: 616 Euro, SPD: 504 Euro, WNKUWG 320 Euro, Büfo und Grüne: je 228 Euro, FDP: 272 Euro). Einer verzichtete auf dieses Geld, teilte Hauptamtsleiter Jürgen Scholz mit. Ob es einer dieser Einzel-"Kämpfer" im Rat 2014 bei der Kommunalwahl direkt als Einzelkandidat geschafft hätte, lässt sich nicht beantworten. Denn: Sie traten nur in einem Wahlbezirk für ihre Fraktion an. Ein Einzelbewerber hingegen würde fürs gesamte Stadtgebiet kandidieren.

Legt man das Ergebnis der jüngsten Kommunalwahl zugrunde, so hätten 2014 - ohne Sperrklausel - 378 Stimmen für den Einzug eines Einzelbewerbers genügt, um Ratsmitglied zu werden. Damals gab es 15.111 Stimmen.

(RP)
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