Wermelskirchen 600 Kinder brauchen Sprachförderung

Wermelskirchen · Ein Viertel der Kinder, die in diesem Jahr in Rhein-Berg eingeschult wurden, zeigte bei der Eingangsuntersuchung Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung. Ein geringer Teil konnte sich gar nicht verständlich machen.

 Die Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes beim Rheinisch-Bergischen Kreis, Dr. Christiane Schiffer, testet den Wortschatz eines Vorschulkindes.

Die Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes beim Rheinisch-Bergischen Kreis, Dr. Christiane Schiffer, testet den Wortschatz eines Vorschulkindes.

Foto: Kreis

Um den sechsten Geburtstag eines Kindes herum, kommt der Brief vom Kreis. Im Umschlag steckt die Einladung zur Schuleingangsuntersuchung. Dort testen Ärztinnen des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes Sprachauffälligkeiten sowie Motorik und messen das Gewicht der Vorschulkinder. Festgestellt haben sie für das Schuljahr 2014/15: 24,5 Prozent der kreisweit 2411 i-Dötzchen, die im August ins erste Schuljahr gestartet sind, zeigten Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung. Ein kleiner Teil von ihnen habe gar so schlecht gesprochen, dass die Kinder nicht oder kaum verstanden wurden, berichtet Kreissprecher Alexander Schiele.

Ein Kind gilt dann als sprachauffällig, wenn es etwa stottert, lispelt, oder Konsonanten nicht richtig ausspricht. "Dann sagt es beispielsweise ,Totodil' statt ,Krokodil' oder ,Fros' anstelle von ,Frosch'", erklärt Schiele. Dyslalie ist dafür der Fachbegriff. "Allerdings sind das niederschwellige Defizite, die sich recht gut therapieren lassen", meint er. "Ein kleiner Lispler ist keine schwere Sprachstörung." Dennoch bedeutet die Zahl von 24,5 Prozent, dass etwa 600 Vorschulkinder im Kreis vor der Einschulung nicht korrekt Deutsch sprechen - unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Zum Schuljahr 2013/14 lag die Zahl sogar bei 28,6 Prozent, 2012/13 bei 23,5 Prozent. "Wir sind besser als der Landesschnitt", sagt Schiele.

Durch die gute Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Tagesmüttern fielen Sprachinkompetenzen häufig schon auf, bevor die Kinder zur Schuleingangsuntersuchung müssen. "Meist geht es um Mini-Defizite, die schon im Kindergarten gefördert werden", erklärt Schiele. Sozialdezernent Jürgen Graef bestätigt: "Wir dokumentieren die intellektuelle Entwicklung jedes Kindes", sagt er. In umfangreichen Mappen werde festgehalten, auf welchem Entwicklungsstand sich das Kita-Kind jeweils befindet. Eltern und auch die Schule können darauf zugreifen und Fördermaßnahmen in die Wege leiten. "Je früher, desto besser", sagt Graef. "Dann sind die Festplatten der Kinder noch frei für Neues."

Zeigen sich Sprachschwierigkeiten aber erst bei der Schuleingangsuntersuchung, spricht das Gesundheitsamt Empfehlungen aus. Sind die Defizite groß, verweist es die Eltern an eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Sprache. Bei geringen Schwächen empfiehlt es einen Besuch beim Logopäden. "Den muss dann der Kinderarzt verschreiben", erklärt Schiele. Die Kosten für die Behandlung übernimmt die Krankenkasse. Die Wermelskirchener Logopädin Ina Felten-Hoffmann betreut regelmäßig Vorschulkinder. "Ihre Defizite behebt man meist recht schnell", sagt sie. Es hapert am Satzbau, dem Sprachverständnis oder dem Wortschatz. Kinder mit Migrationshintergrund hätten zusätzlich auch häufig Probleme bei der Aussprache von den Buchstaben "sch" und "r". Je nach Schwere der Defizite, seien diese nicht immer bis zum Beginn des Schuljahres behoben. "Wenn jemand erst nach der Eingangsuntersuchung zur Therapie kommt, ist das das Späteste", sagt die Logopädin. Manchmal dauere die Behandlung dann noch bis in das Schuljahr hinein.

Ob die Empfehlungen des Gesundheitsamtes umgesetzt werden, "liegt in der Verantwortung der Eltern", sagt Kreissprecher Schiele. Er rät Eltern, sich intensiv mit ihren Kindern zu beschäftigen. "Nur vorm Fernseher sitzen, ist alles andere als gut." Zur Förderung der Sprachentwicklung helfe es, Bücher vorzulesen, Hörspiele zu hören, zu reimen, Lieder zu singen und an der Grammatik zu arbeiten. "Die meisten Probleme kann man recht einfach beheben", sagt Schiele, "aber da heißt es üben, üben, üben."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort