Wermelskirchen Ärger über die Allergen-Kennzeichnung

Wermelskirchen · Neues EU-Recht: Seit Dezember müssen in Betrieben, die Speisen und lose Lebensmittel verkaufen, Listen mit 14 Allergiestoffen ausliegen. Wermelskirchener Betriebe und die Kreishandwerkerschaft kritisieren diese Änderung.

Wermelskirchen: Ärger über die Allergen-Kennzeichnung
Foto: Staschik, Olaf (OLA)

Immer mehr Menschen reagieren allergisch auf bestimmte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln. Bei abgepackter Ware längst Pflicht, müssen nun 14 allergene Inhaltsstoffe auch in losen Lebensmitteln gekennzeichnet sein. Das schreibt ein neues EU-Recht seit dem 13. Dezember vor.

In der Bäckerei Schrag liegt seitdem eine Mappe zur Allergen-Kennzeichnung aus, berichtet Eigentümer Friedel Schrag. Er ist von dem neuen EU-Recht allerdings nicht so ganz überzeugt. "Ich halte das für etwas übertrieben, weil es eigentlich keinen Unterschied macht, ob da jetzt eine Liste liegt oder nicht", sagt Schrag. Denn diejenigen, die Allergien haben, würden sowieso bei den Verkäufern nachfragen, anstatt in die Liste zu gucken. "Es stimmt schon, dass mittlerweile immer mehr Menschen betroffen sind und dass sich der Aufwand für uns in Grenzen hält. Aber vorher hat schließlich auch alles ohne Probleme funktioniert", sagt Schrag. Außerdem backe man in seiner Bäckerei fast komplett ohne Backmittel und nur mit frischen Zutaten. "Das reduziert die Anzahl der Inhaltsstoffe, auf die allergisch reagiert werden könnte, sowieso auf ein Minimum", sagt Schrag.

Eine mündliche Auskunft reicht laut Verbraucherzentrale NRW aber nicht aus. "Wir haben das im vergangenen Jahr in vielen Betrieben getestet, und das Ergebnis war erschreckend: Oft wussten die Verkäufer nicht genau, was in den Produkten ist. Das kann für Allergiker lebensbedrohlich sein", berichtet Margarete Besemann von der Verbraucherzentrale. Deshalb sei es sehr wichtig, die Informationen schriftlich zur Verfügung zu stellen, selbst, wenn das für viele Betriebe mit Kosten und Aufwand verbunden ist. "Die verpflichtende Kennzeichnung ist eine wichtige Verbesserung für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten", stellt Besemann fest.

Für die Bäckerei Evertzberg sei die Allergen-Kennzeichnung kein Problem, sagt Stephan Meier, Firmenbeauftragter für Inhaltsstoffe. "In allen Filialen können sich die Kunden bei Fragen an die Verkäuferinnen wenden", berichtet Meier. "Die Inhaltsstoffe der einzelnen Produkte können über die Kassen abgerufen werden. Sie sind über das Internet mit der Zentrale verbunden und immer auf dem neuesten Stand", sagt Meier. So müssen die Mitarbeiter die Inhaltsstoffe nicht auswendig wissen, sondern können sie einfach ablesen. Außerdem sind diese auf der Internetseite der Bäckerei für jedes einzelne Produkt ausgewiesen und für den Kunden nachvollziehbar.

Neben den Bäckern sind auch die Metzgereien von dem neuen Gesetz betroffen. "Praktisch ist das kaum umzusetzen, weil wir ja nicht einfach überall in den Verkaufsraum Listen hängen können", sagt Rainer Eickhorn von Daum & Eickhorn Fleischwaren. Trotzdem wurde sich pünktlich um eine Lösung gekümmert, auch wenn bei Fleischwaren sowieso nur ein kleiner Teil der Allergene überhaupt enthalten sein könne, weiß Eickhorn. Die Listen liegen unter der Theke bereit, um bei Nachfrage ausgegeben werden zu können. "Einen Unterschied zu vorher, als die Verkäufer direkt gefragt wurden, macht das aber nicht", sagt Eickhorn.

Nicht besonders glücklich über die Änderungen ist auch die Kreishandwerkerschaft. "Klar, für die Verbraucher ist es erstmal positiv. Für die nicht-industriellen Betriebe bedeutet es aber weiteren Aufwand und Kosten", sagt Geschäftsführer Marcus Otto. Das bedeute, dass besonders die kleinen Betriebe von den neuen Richtlinien getroffen würden. Bei den großen Unternehmen würden die Angestellten in der Verwaltung die Arbeit erledigen, aber in den Familien-Betrieben müssten dafür Extra-Schichten eingelegt werden. "Und die Zeit fehlt dann natürlich bei der Produktion", sagt Otto. Für ihn ist das neue EU-Gesetz eine weitere bürokratische Hürde, die zulasten des Umsatzes gehe. Außerdem würden die meisten Allergiker sowieso wissen, was sie essen können und was nicht, und im Zweifelsfall trotz Liste noch einmal nachfragen. "Ich finde es nicht gut, dass die kleinen Betriebe unter so vielen wirtschaftlichen Zwängen leiden müssen", sagt Otto. Dieses Gesetz sei übrigens nicht das Ende der Bürokratie. In absehbarer Zeit sollen auch die Nährwerte für alle losen Produkte einsehbar sein. "Ich weiß gar nicht, wie die sich das vorstellen. Das ist kaum und nur mit einem sehr teuren Programm machbar", sagt Otto.

(kron)
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