Serie Ende Zweiter Weltkrieg Brot backen nur mit Passierschein

Wermelskirchen · Die 81-jährige Ilse Richter aus Dabringhausen hat alte Dokumente aus dem April 1945 gefunden. Ihr Vater war Bäcker im Dorf.

Wermelskirchen Ilse Richter ist in Dabringhausen geboren und wohnt auch heute noch in ihrem Elternhaus an der Altenberger Straße. 1932 wurde das Haus gebaut, ihre Eltern betrieben dort eine Bäckerei. "Mein Vater war Soldat, war aber bereits vor Kriegsende wieder hier zu Hause", sagt Richter, die 1945 elf Jahre alt war. Die Gründe dafür kennt sie nicht. "Vielleicht war er freigestellt, um für die Brotversorgung zu sorgen. Es gab einige Bäckereien in Dabringhausen, die anderen Bäcker waren alle im Krieg", erzählt Ilse Richter.

In alten Unterlagen hat sie Lebensmittel-Bezugsscheine und einen Passierschein gefunden, datiert vom 16. April 1945, also direkt nach dem Einmarsch der Amerikaner. Ausgestellt durch die Gemeinde Dabringhausen, von einem amerikanischen Major unterzeichnet und auch mit englischen Hinweisen versehen. Das Kriegsende wird für Wermelskirchen, je nach Standort, auf den 14. oder 15.April 1945 datiert. Es ist also erstaunlich, dass bereits ein oder zwei Tage später von offiziellen Stellen mit der Neuorganisation der Versorgung begonnen wurde. "Hier bei uns konnte mein Vater nicht backen - wahrscheinlich weil wir keinen Strom hatten", vermutet Richter. Also ging ihr Vater, Erich Selbach, zu Bekannten in die Rausmühle, um dort das Brot herzustellen. Mit dem Wasserrad konnten die Maschinen betrieben werden.

"Wir haben Glück gehabt, vom Krieg haben wir hier im Dorf nicht so viel mitbekommen. Einzelne Bomben gingen in der Umgebung runter, vor den Tieffliegern mussten wir uns in acht nehmen. Den Bombenangriff auf Hünger konnten wir von Dabringhausen sehen. Und in Frenkhausen ist ein Flugzeug abgestürzt." Das geschah in der Nacht zum 8. März 1945, als ein amerikanischer Bomberverband von Köln aus kommend in Richtung Dortmund flog. "In Kleine Ledder bei Dabringhausen stürzte ein viermotoriger amerikanischer Bomber mit Bombenlast ab, der in der Umgebung starke Gebäudeschäden anrichtete. Sechs Mann der Besatzung wurden als Leichen geborgen, der siebte Flieger war mit dem Fallschirm abgesprungen und wurde gefangen genommen." So beschreibt es ein Zeitzeuge in dem Buch "Wermelskirchen am Ende des Zweiten Weltkriegs" von Robert Wehn.

"Die Trümmer des Flugzeugs müssen sich weit verteilt haben, denn es wurden Magnetstücke gefunden, die wir im Gymnasium in Wermelskirchen bestaunt haben", sagt Richter. Für viele Kinder war diese Zeit wie ein "Abenteuerspielplatz". "Wir sammelten Staniolstreifen, die die Flieger abgeworfen haben." Diese Streifen dienten zur Störung der deutschen Flugabwehr. "Nach dem Krieg lag das ganze Zeug überall herum. Ausrüstung, Waffen und Munition waren besonders für die Jungen interessant. "Ein Schulfreund ist durch Hantieren mit einer Panzerfaust ums Leben gekommen", berichtet Ilse Richter.

An ein Erlebnis erinnert sie sich noch genau: "Ein großer amerikanischer Soldat kam in unsere Backstube und fuchtelte vor meiner Mutter mit einem Messer herum. Ob er tatsächlich etwas Böses wollte, kann ich nicht sagen, wir haben ja kein Wort verstanden." Bei der Hausdurchsuchung durch die Amerikaner nahmen diese die Familien-Geldkassette mit. Richter: "Sonst gab es eigentlich keine Probleme."

(wsb)
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