Wermelskirchen Das schillernde Berlin der 1920er Jahre in der Katt

Wermelskirchen · Zeichnungen von Robert Nippoldt, Slapstick und Musik mit Gassenhauern und Chansons mit dem "Trio Größenwahn".

Es wird Nacht im Berlin der wilden 20er. Der Erste Weltkrieg ist vorbei, die Monarchie am Ende, die Weimarer Republik entsteht, die Menschen sind froh, überlebt zu haben und wollen vergessen. Berlin wird zum Nabel der Welt mit Vergnügen, Halbwelt und Zwielicht. Ein "rätselhafter Schimmer" wie in den Augen einer schönen Frau, die "von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt ist", liegt über der Stadt. Und es wird Nacht in der Katt, und der gleiche rätselhafte Schimmer legt sich über den Saal.

Nur vorne links auf der Bühne der Kattwinkelschen Fabrik bewegt sich wie ein Schatten das "Trio Größenwahn", in der Mitte schimmert ein Mikrofon vor einer Leinwand, und rechts hinter seinem Tisch und einer kleinen Funzel sitzt Zeichner und Buchkünstler Robert Nippoldt mit Stiften, Pinsel und Scherenschnitten. Er trifft zu einer poetischen Amüsierschau über das Berlin der 1920er auf das "Trio Größenwahn" mit Lotta Stein (Gesang), Christian Manchen (Piano) und Christoph Kopp (Kontrabass).

Dann singt Lotta Stein "Life is a Cabaret" und schubst das Publikum hinein in das Berlin der wilden 20er. Von jetzt an geht es Schlag auf Schlag: Live-Zeichnungen zu Gassenhauern und Chansons von Marlene Dietrich, Friedrich Hollaender, den "Comedian Harmonists" und der "Dreigroschenoper" entführen die Zuhörer auf eine alle Sinne gefangen nehmende Zeitreise nach Berlin.

Slapstick regiert auf Bühne und Leinwand. Gesprochen wird nicht. Ansagen huschen als Zettel über die Leinwand. In drei Minuten gibt es sämtliche Kanzler der Weimarer Republik, ein Spaziergang durch Berlin führt zur Vergnügungsmeile Friedrichstraße und erweckt sie zum Leben, die Seeräuber-Jenny aus der "Dreigroschenoper" flimmert mit Piratenschiff als Scherenschnitt über die Leinwand. Die Anfänge des Tonfilms werden hörbar, die "Comedian Harmonists" zerlegen live auf Papier einen tobenden Konzertflügel. Das damalige Lebensgefühl legt sich über die Besucher der Katt.

Diese Zeitreise nimmt restlos gefangen - mit einfachsten Mitteln. Es ist eine unaufgeregte, spektakuläre Show. Alle Akteure zeigen Liebe zum Detail, vor allem Nippoldt, der während seiner nahezu pausenlosen, rasenden Zeichnerei keine noch so winzige Kleinigkeit auslässt. Am Ende hat das begeisterte Publikum viel mehr als einen rätselhaften Schimmer vom Berlin der 20er mitbekommen. Katt-Manager Achim Stollberg hat oft sein gutes Händchen für großartige Ereignisse bewiesen. Diesmal hat er den kulturellen Vogel abgeschossen.

(bege)
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