Serie Eine Stunde Im Ehrenamt Die "Tante Emma" auf Rollen

Wermelskirchen · Seit über einem Jahr fahren Gudrun Nobel und Benno Klinke zwei Mal monatlich mit einem Verkaufswagen durch die Flure des Hauses Vogelsang. Sie versorgen die Senioren mit Süßem, Obst und Leckereien, die über den Alltagsbedarf hinaus gehen.

 Gudrun Nobel (68) und Benno Klinke (70 versorgen mit ihrem Verkaufswagen die Bewohner im Haus Vogelsang.

Gudrun Nobel (68) und Benno Klinke (70 versorgen mit ihrem Verkaufswagen die Bewohner im Haus Vogelsang.

Foto: J. Moll

WERMELSKIRCHEN Wenn Gudrun Nobel und Benno Klinke die Flure auf den Wohnetagen des Hauses Vogelsang betreten, läuten sie erst einmal eine Glocke. Deren lautstarker Klang kündigt die Ankunft des "Tante Emma"-Einkaufswagens an, den das Duo vor sich herschiebt. Zwei Mal im Monat versorgt der Verkaufswagen die Bewohner des Seniorenheims mit Waren, die über den alltäglichen Bedarf hinaus gehen. Das sind Naschereien und Süßigkeiten, Obst, spezielle Teesorten, Duschgels oder Gesichtscremes. Die Bewohner freuen sich über diesen ehrenamtlichen Service.

Weil der Betrieb eines Kiosks im Haus Vogelsang nicht tragbar war, entstand die Idee zu dem Verkaufswagen, die es auch in anderen Seniorenheimen gibt. "Wir haben das anfangs mit einem ganz normalen Servierwagen aus der Küche ausprobiert, ob dieser Gedanke überhaupt Anklang finden würde", erzählen Gudrun Nobel und Benno Klinke. In das "Tante Emma"-Projekt seien sie "hineingerutscht": "Unsere Eltern waren hier. Wir packen gerne mit an, begleiten die Senioren unter anderem bei Ausflügen."

Seit dem Start vor eineinhalb Jahren sei die Nachfrage stetig gewachsen. Mit dem auf Maß gefertigten, genau durch Türen, Flure und in die Aufzüge passenden Verkaufswagen steht Gudrun Nobel (68) und Benno Klinke (70) das richtige "Werkzeug" zur Verfügung. Die Anschaffung des Gefährts, das die Lebenshilfewerkstatt in Leverkusen fertigte, finanzierte der Förderverein "Freundeskreis Haus Vogelsang" (800 Euro). "Dass wir das machen, ist für uns selbstverständlich. Es macht Spaß", sagt Benno Klinke, der für seine "Kunden" immer einen Scherz auf den Lippen hat. Und Gudrun Nobel fügt hinzu: "Unsere Belohnung ist die Freude der Bewohner im Haus Vogelsang. Wenn ich einmal hier bin, freue ich mich auch, wenn das jemand macht." Immer gerne kauft der 89-jährige Egon Schlösser beim "Tante Emma"-Verkaufswagen. Diesmal bekommt er unter anderem weiße Vollnuss-Schokolade und braunen Würfelzucker, für das nächste Mal bestellt er gleich seine geliebten Vollkorn-Butterkekse vor: "Das ist eine sehr gute Sache für uns. Die Beiden nehmen sogar Bestellungen an, für den Zucker habe ich einfach angerufen. Ich komme ja selber nicht mehr in die Stadt, um solche Besorgungen zu erledigen."

Der Verkaufswagen, mit dem Benno Klinke und Gudrun Nobel an jedem zweiten und vierten Dienstagnachmittag eines Monats durch das Haus Vogelsang fahren, sorgt für "Erfolgserlebnisse", wie Klinke es nennt: "Die Senioren entscheiden eigenständig, was sie über die Deckung des täglichen Bedarfs hinaus kaufen möchten." Dadurch würden ganz individuelle Bedürfnisse oder Gewohnheiten abgedeckt.

Nobel und Klinke kennen inzwischen die Vorlieben ihrer Kunden: "Wir gehen immer montags vorher einkaufen. Dienstagvormittags wird dann noch Obst besorgt. Bei unseren Einkäufen halten wir immer Ausschau, ob es etwas Neues gibt, das Gefallen finden könnte. Das nehmen wir für die nächste Tour ins Angebot." Der aktuelle "Renner" sei Studentenfutter. Die Vorbestellungen haben Klinke und Nobel in einzelne Stofftaschen ("Büggel") sortiert, das übrige Angebot präsentiert sich auf den Auslageflächen des Verkaufswagens. Jeden Verkauf hält Benno Klinke in einem Kassenbuch handschriftlich fest. Abgerechnet wird mit dem Haus Vogelsang und zum Selbstkostenpreis weitergegeben. "Sind beliebte Produkte irgendwo im Sonderangebot, schlagen wir zu", beschreibt Gudrun Nobel den preisbewussten Einkauf im Vorfeld der Verkaufswagen-Touren.

Für die 98-jährige Liselotte Herberg sollen es dieses Mal Äpfel, Mandarinen und Pralinen sein - kleine Gaumenfreuden im Laufe eines Tages. Hannelore Gerick (85) kommt mit ihrem Rollstuhl dem Verkaufswagen schon auf halbem Weg entgegengefahren. Sie kauft Kekse und Schokolade nicht nur für den eigenen Verzehr: Beispielsweise Pralinen oder Schokotafeln eignen sich gut als Geschenk für den nächsten Besuch von Kindern und Enkeln.

(sng)
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