Serie 60 Minuten Im Ehrenamt Ein warmes Essen und ein gutes Wort

Wermelskirchen · Vroni Ortwein engagiert sich beim Offenen Mittagstisch. Als die Rentnerin vor 15 Jahren zum ersten Mal zur Tafel kam, war sie skeptisch und versteckte sich in der Küche. Mittlerweile gehören Umarmungen zur Tagesordnung.

 Vroni Ortwein (2.v.l.) arbeitet ehrenamtlich bei der Essensausgabe. Die Arbeit macht ihr viel Freude. Foto: Peter Meuter

Vroni Ortwein (2.v.l.) arbeitet ehrenamtlich bei der Essensausgabe. Die Arbeit macht ihr viel Freude. Foto: Peter Meuter

Foto: Peter Meuter

Wermelskirchen Menschenliebe treibt Vroni Ortwein an: Seit 15 Jahren engagiert sich die Eipringhauserin für den Offenen Mittagstisch. Jeden Tag bekommen Menschen dort ein warmes Essen und ein herzliches Willkommen.

Beherzt greift Vroni Ortwein zum Servierlöffel. "Heute gibt es Geschnetzeltes", sagt sie. Und wer mag, könne auch ein Stück Pflaumenkuchen essen. Die 67-Jährige füllt eine großzügige Portion auf. Ein Mann blickt fröhlich in die kleine Küche des Offenen Mittagstischs an der Thomas-Mann-Straße. "Hallo Vroni, wie geht's? Ich bin wieder da." Strahlend blickt Vroni Ortwein auf. Es ist ein herzliches Willkommen, das sie dem Gast bereitet. Er ist auf der Suche nach einem Laib Brot, um auch gleich für das Abendessen sorgen zu können. Vroni Ortwein legt den Servierlöffel zur Seite, sieht nach dem Brot und gibt es weiter. Ein dankbarer Blick.

"Manchmal haben die Menschen, die hierher kommen vergessen, dass sie wertvoll sind", sagt Ortwein. Genau an diesen Wert will sie die Gäste des Offenen Mittagstischs erinnern. Seit 15 Jahren engagiert sie sich für das Angebot des Evangelisch-Freikirchlichen Sozialwerks Wermelskirchen. Jeden Tag ab 13.30 Uhr öffnen die Ehrenamtlichen aus sieben freikirchlichen Gemeinden den Offenen Mittagstisch. Frauen und Männer, die wenig Geld haben, aber auch Gäste, die nicht alleine essen wollen, kommen zum Mittagstisch. Früher kredenzten die Ehrenamtlichen den Besuchern das warme Mittagessen in dem Altbau an der Thomas-Mann-Straße. Im Juni sind sie ins Ausländerzentrum umgezogen. Die Stadt hat investiert und so kann das Portugiesische Zentrum nun unter der Woche vom Offenen Mittagstisch und am Wochenende von den Portugiesen genutzt werden.

Das neue Arrangement ermöglicht mehr Plätze. Und die werden gerne in Anspruch genommen. 25 bis 30 Teller gehen hier jeden Tag über den Tisch. Bevor die Ehrenamtlichen servieren können, fahren sie zur Obi-Kantine. Dort nämlich dürfen sie nach dem Mittagessen die übrigen Speisen mitnehmen. An der Thomas-Mann-Straße wird dann ab 14.30 Uhr aufgetischt. "Vorher gibt es Kuchen und Kaffee", sagt Ortwein, "und wir geben auch Brot aus." Möglich sei das durch engagierte Bäcker. In Hygienevorschriften, Temperaturvorgaben für das Essen und anderen gesetzlichen Regelungen wurden die Mitarbeiter geschult. Jedes Jahr müssen sie ihr Gesundheitszeugnis aktualisieren. Während in der Küche die Teller gefüllt werden, nehmen die Gäste am gedeckten Tisch Platz. Sie spielen eine Partie Mensch-ärgere-dich-nicht, kommen bei einer Tasse Kaffee ins Plaudern und genießen die Gemeinschaft. Alleine bleibt hier kaum einer, wenn er es nicht will.

Als Ortwein vor 15 Jahren zum ersten Mal zur Tafel kam, weil sie in ihrer Gemeinde in Dabringhausen darauf angesprochen worden war, da war sie skeptisch. "Am Anfang habe ich mich in der Küche hinter der Arbeit versteckt", sagt sie. Wenn sie in der Stadt mal Gäste traf, sei ihr das unangenehm gewesen. Wegen der Scham. "Inzwischen sind wir eine Familie", sagt sie. Umarmungen sind hier an der Tagesordnung, Interesse an dem Anderen auch. Neuland war das Ehrenamt für Ortwein allerdings auch damals nicht, als sie beim Offenen Mittagstisch begann. "Das ist eine Selbstverständlichkeit für mich", sagt sie, "es gibt so viele Dinge, die man tun kann." Und ihre Motivation? "Mein Glaube", sagt sie. Gott habe sie mit allen Schwächen angenommen und genau das wolle sie nun weitergeben. Manchmal gerate sie körperlich und psychisch an ihre Grenzen. Aber die Motivation sei groß. "Ich liebe die Menschen", sagt die Rentnerin. Und dann flitzt sie mit dem letzten vollen Teller zu einem Nachzögling in den Speiseraum.

(resa)
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