Serie - Ende Zweiter Weltkrieg Große Angst vor dem schwarzen Mann

Wermelskirchen · Ernst Oskar Lambeck erinnert sich noch gut an seine Kindheit in Löh - vor allem an die Begegnungen mit den Soldaten.

Wermelskirchen Sind es wirklich eigene Erinnerungen oder sind die Ereignisse erzählt worden? "Ich war bei Kriegsende erst fünf Jahre alt, aber es gibt Dinge, die weiß ich noch ganz genau. Ich sehe sie richtig vor mir", sagt Ernst Oskar Lambeck, der mit seiner Familie am Löh wohnte. Er erinnert sich an das Schlittenfahren mit seiner Schwester auf der B 51 im Winter 1944/45, immer wieder unterbrochen vom Fliegeralarm. "Eine Bombe ist mitten in Hilgen runtergegangen und hat ein Haus getroffen. Die meisten Wände waren weg, aber die Decken waren merkwürdigerweise noch da", sagt Lambeck. "Wie bei einem Puppenhaus konnten wir in die Zimmer schauen."

Über dem Bett im Schlafzimmer des zerstörten Hauses hing ein Bild. Wie in vielen deutschen Wohnungen kann es nur eines von drei Motive gewesen sein: entweder ein röhrender Hirsch, ein Jesus-Motiv oder ein Schutzengel zwei kleinen Kindern. "Es war der Schutzengel mit den Kindern", erinnert sich Lambeck.

Die Kinder spielten an der Eisenbahnlinie (heute Balkantrasse), die damals zweigleisig war. "Da standen Waggons herum, einer war aufgebrochen. Wir Kinder sind natürlich hineingeklettert und haben Glasteller gefunden. Ein paar gibt es, glaube ich, heute noch. Als Untersetzer für die Blumentöpfe", sagt der 75-jährige. Kurz vor Kriegsende kamen zwei holländische Zwangsarbeiter auf den Hof seines Großvaters am Löh und baten um Essen. "Martin und Jacob Sievers waren Zwangsarbeiter im Alexanderwerk in Remscheid. Die haben bei uns am Tisch gesessen und mit uns gegessen. Das war bei Strafe verboten", sagt Lambeck. "Bei uns hat sich niemand darum gekümmert - und meine Mutter hat die beiden sogar im Kleiderschrank versteckt." Der Beginn einer Freundschaft. "Wir hatten immer Kontakt. Wir sind nach Holland gefahren, sie sind zu uns gekommen", berichtet Lambeck.

In seiner Kindheit wurden gruselige Geschichten über die "Neger" verbreitet. "Die kommen und fressen kleine Kinder auf", wurde über die "schwarzen Untermenschen" erzählt. Entsprechend groß war der Schock für den kleinen Ernst Oskar, als beim Einzug der Amerikaner tatsächlich "ein riesengroßer Neger" vor der Tür stand. Die beiden Holländer haben sich in einer Sprache mit dem Soldaten unterhalten, die er noch nie gehört hatte. "Alle haben sich gefreut und ich habe mir in die Hose gemacht, als der Soldat mit seiner riesigen, schwarzen Hand auf mich zukam", erinnert sich Lambeck. Dabei wollte dieser nur mal die blonden Locken des kleinen Jungen streicheln.

Nach dem ersten Geschenk, einer Dose Schokolade, war die Angst verflogen. "Mit den älteren Kindern musste ich dann immer mitkommen zu den Soldaten, um Süßigkeiten zu bekommen", sagt Lambeck. Die Kinder sammelten fleißig die Zigarettenkippen der Soldaten. "Das war damals ein beliebtes Stopfmaterial für die Pfeife meines Onkels - es gab ja nichts", erinnert sich der Wermelskirchener.

Mit dem Fahrrad wurden Kartuschen der Artillerie geholt, die am Friedhof an der Unterstraße stationiert war. "Da passte 50 Pfund Hühnerfutter hinein", sagt der 75-Jährige. Später, weit nach dem Krieg, sind die Kartuschen im Militärwaffen-Museum in Suhl gelandet und können noch heute besichtigt werden.

(wsb)
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