Wermelskirchen "Junge Flüchtlinge nicht untersuchen"

Wermelskirchen · Jugendamt lehnt Röntgenuntersuchungen - wie von der CSU gefordert- ab, um das Alter von unbegleiteten minderjährige Flüchtlingen bestimmen zu lassen.

Die schreckliche Bluttat in Kandel bei Ludwigshafen erschüttert die Menschen und wirft viele Fragen auf, die jetzt auch in der Politik diskutiert werden. Dort hatte ein 15-jähriger Afghane seine gleichaltrige Freundin in einem Drogeriemarkt erstochen. Der Tatverdächtige war polizeibekannt. Die Eltern des Opfers hatten den 15-Jährigen im Dezember wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung angezeigt. Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling soll er nach Deutschland gekommen sein.

Inzwischen wurden Zweifel laut, ob er tatsächlich noch minderjährig ist. Die Feststellung des Alters junger Flüchtlinge obliegt den Jugendämtern. Wie verfährt Wermelskirchen mit diesen sehr jungen Jugendlichen? Auf die leichte Schulter nimmt das Jugendamt diese wichtige Aufgabe nicht. Man halte sich an die gesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, sagt Barbara Frank, die im Jugendamt den pädagogischen Bereich leitet. "Nur in Ausnahmefällen erfolgt eine ärztliche Untersuchung", sagte sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Denn es tangiere die körperliche und seelische Integrität der jungen Flüchtlinge sehr stark. Die CSU plädiert Medienberichten zufolge für diese ärztlichen Untersuchungen.

In Wermelskirchen seien solche Untersuchungen wie das Röntgen von Handwurzelknochen oder Zähnen nicht erfolgt. Im Übrigen rate die zentrale Ethik-Kommission der Bundes-Ärztekammer von solchen Röntgenuntersuchungen ab, sagt Frank. In Österreich werden junge Flüchtlinge, die unbegleitet einreisen und sich als minderjährig ausgeben Presseberichten zufolge generell gründlich untersucht. Und in Zweifelsfällen werde zunächst die Hand geröntgt, anschließend können weitere Untersuchungen folgen. Nach solchen Tests habe sich herausgestellt, dass 2016 etwa 41 Prozent der Untersuchten die Behörden über ihr Alter getäuscht haben: Sie waren bereits volljährig.

In Deutschland setze man auf eine andere Art der Einschätzung, sagt Barbara Frank. Nicht zuletzt, weil auch Röntgenuntersuchungen zur Altersfeststellung zu ungenau seien, Experten sprächen von Abweichungen von zwei, drei Jahren.

Als 2015/16 ein Schwung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge nach Wermelskirchen kam, wurde zunächst nach Ausweispapieren oder anderen Dokumenten gefragt, die die Altersangabe untermauern können - wie zum Beispiel Schulzeugnisse. Wurden keine Papiere vorgelegt, erfolgte eine Inaugenscheinnahme durch geschultes Personal, wenn das angegebene Alter angezweifelt wurde. Neben dem optischen Eindruck, der auch täuschen kann, weil Fluchterlebnisse junge Menschen "altern" lassen können, erfolgten Gespräche mit Jugendlichen, in deren Verlauf der Reifegrad ermittelt werde. Ein Fragebogen, den das Landesjugendamt vorgibt, sei dabei der Leitfaden.

(RP)
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