Wermelskirchen Kassandra beeindruckt auf der Bühne im "Film-Eck"

Wermelskirchen · Dunkelste Schwärze regiert das Film-Eck. Kein Flimmern, kein Laut, kein Scharren von Füßen, kein ekliger Duft von Popcorn. Nur Warten im Finsteren, wie auf dem Sitz festgenagelt. Und dann ein Schrei. Nein - der Schrei. Er geht durch Mark und Bein, den Rücken berieseln leichte, spitze, kalte Schauer, ein Frösteln beginnt. Es passt zum momentanen Wetter am Abend in Wermelskirchen.

Aber letztlich sind wir gar nicht im Bergischen. Wir sind in Griechenland. Genauer: in Mykene. Und geschrien hat Kassandra, die Tochter des Königs Priamos von Troja und seiner Frau Hekabe. Kassandra kniet im Dreck vor dem Löwentor in Mykene und wartet auf den Tod. Die Trojanerin ist Kriegsbeute der siegreichen Griechen im Kampf gegen Troja. In ihren Erinnerungen dröselt Kassandra uns die Geschichte dieses Krieges aus ihrer Sicht auf.

Wer sich in dieser Theaterveranstaltung des Kulturvereins nicht halbwegs in griechischer Mythologie und ihren Heldensagen auskennt, versinkt bald im Irrgarten griechischer Götter, Könige, Königinnen, deren Töchter und Söhne. Wer entführte wen? Wer rächte sich wie? Und welcher Gott funkte dazwischen? Aber das spielt auch gar nicht die wichtigste Rolle. Binnen Kurzem wird klar, dass es wie stets darum geht, Macht zu erlangen und zu bewahren. Um jeden Preis. Da kennen die Menschen keine Verwandten mehr. Im antiken Griechenland demonstrieren die Mächtigen ihre Macht durch Grausamkeit, durch Herrschen über Tod und Leben und durch Sex.

Doch Kassandra gibt dem Gott Apollon, der ihr die Sehergabe verleiht, einen Korb. Von nun an glaubt ihr niemand mehr, sie gilt vielen als Wahnsinnige. Jetzt könnte sie machen, was sie will. Aber das zu erkennen, fällt ihr schwer. Zu stark sind in ihr Traditionen und Familienbande. So leidet sie an ihrer Gabe, an der damit verbundenen Verantwortung und tief in ihrem Inneren an sich selbst. Erst allmählich findet sie ihren Weg.

In diesem Stück steckt vieles drin: vom Wesen des Menschen über seine Ziele, Verzweiflungen und Hoffnungen bis hin zu dem schwierigen Pfad der Selbstfindung. Nur mit einem Scheinwerfer in der Dunkelheit der Bühne brachte die Schauspielerin Cornelia Gutermann-Bauer diese Kassandra in einem intensiven Eine-Frau-Stück authentisch bis zum körperlichen Schmerz und zur seelischen Verzweiflung über die Bühne. Der sicheren, inneren Stimme zu folgen, ist nicht leicht. Es erfordert Stärke, Ausdauer und Mut. Gutermann-Bauer ließ sich auf dieses gelungene Solo-Wagnis ein.

So lieferte sie gleichsam eine motivierende Meta-Metapher, den eigenen Weg zu gehen. Der intensive Beifall der etwa 60 Besucher zeigte: Das Stück hinterließ Ein-Druck.

(bege)
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