Wermelskirchen Kinderreiche blitzen bei Privatvermietern ab

Wermelskirchen · Vier Kinder, Hartz-IV-Empfängerin - da schlagen Wohnungseigentümer gleich die Türen zu. Die Stadt hat keine Wohnungen, der Bauverein keine großen. Der massive Abbau des sozialen Wohnungsbaus wird spürbar.

Monika* kennt diese Telefonate. Wenn sie erwähnt, dass sie vier Kinder hat, wimmeln die Wohnungseigentümer sofort ab. Seit fünf Jahren immer dasselbe. Sie schreibt Bewerbungen, manchmal bis zu 15 im Monat. Zu Besichtigungen kommt es oftmals gar nicht mehr. "Für Alleinerziehende mit vier Kindern gibt es in Wermelskirchen keinen Wohnraum, der bezahlbar und menschenwürdig ist", sagt sie enttäuscht.

"Was tut Wermelskirchen eigentlich dafür, dass gerade die Kinderreichen Wohnqualität haben? Was ist es einer Kleinstadt mit Herz wert, für die Bürger zu sorgen, die sich nicht aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Lage ziehen können?" Das fragt die Mutter von Monika*. Die Seniorin hat ihre Tochter schon so manches Mal begleitet und unterstützt sie und ihre Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren. Nach Auskunft von Monika* dürfte es für die Vermieter keine Probleme geben. "Das Jobcenter würde mir auch eine größere Wohnung zahlen als 100 Quadratmeter." Aus ihrer Wohnung nämlich will sie raus, weil die Fenster undicht seien und die Steckdosen defekt. "Das Jobcenter überweist an den Hausbesitzer. Da gibt es überhaupt keinen Ärger."

Doch viele, so vermutet die Alleinerziehende, wollen keine vier Kinder oder eine Hartz-IV-Empfängerin in ihren Wohnungen haben. "Lieber ein Ehepaar ohne Kinder", sagt sie trotzig. Zehn Wohnungen hat sie in den vergangenen Jahren besichtigt. Zu einem Abschluss ist es nicht gekommen. Und das städtische Wohnungsamt kann da nicht helfen. Die Eigentümerliste weist zwar zwölf Adressen auf, doch Vier-Zimmer-Wohnungen gibt es überhaupt nicht. Sechs frei gemeldete Drei-raum-Wohnungen sowie vier Zwei-Raum-Wohnungen, alle mit Wohnberechtigungsschein, sind im Angebot. "So geht es für meine Familie und mich nur über private Vermieter", sagt Monika*. Immer wieder kommt auch die Neuschäferhöhe als Option ins Gespräch. "Da habe ich auch schon mal gelebt. Wo man weg ist, da will man nicht mehr hin", sagt sie. Der schlechte Ruf sei bekannt. "Wenn Kinder sagen, dass sie von der Neuschäferhöhe kämen, bekommen sie keine Freunde."

Der Bauverein in Wermelskirchen mit mehr als 500 Wohnungen kann auch nicht helfen. Ulrich Malkow vom Vorstand: "Wohnungen von 100 Quadratmetern und mehr hat der Bauverein nicht. Wir haben einen Bestand aus den 1950er und 1960er Jahren." Geplant sei der Bau größerer Wohnungen, da der Bedarf vorhanden sei. Umgebaut werde der Altbau Königsberger Straße. Da könnten Zwei- bis Vier-Raum-Wohnungen entstehen. "Aber das ist Zukunftsmusik. Wir haben keine konkreten Planungen", sagt das Vorstandsmitglied.

"Vermietung ist nicht die Aufgabe der Stadt", sagt Sozialdezernent Jürgen Graef zur Situation. So hat die Stadt nur noch drei Sozialwohnungen. Die Stadt sei zuständig für die "Beistandsschaft" - Alleinerziehende würden unterstützt. Zum Beispiel zahlt sie den Unterhaltsvorschuss, wenn die Väter nicht zahlen - die Stadt holt sich das Geld von den Vätern zurück. "Viele Mütter wissen gar nicht, was es für sie an Hilfestellungen gibt."

Werden Alleinerziehende benachteiligt zugunsten von Flüchtlingen? "Subjektiv mag dieses Gefühl aufkommen", sagt der Fachmann. Objektiv sei dies nicht der Fall. "Wir müssen Flüchtlinge unterbringen. Das ist gesetzliche Pflicht, sonst wären sie obdachlos." Pro Flüchtling seien sieben Quadratmeter zugestanden - "damit sind sie nicht bessergestellt."

Dass in den vergangenen zehn Jahren der soziale Wohnungsbau massiv abgebaut wurde, räche sich nun, berichtet Graef. Die Stadt sei bestrebt, mit Investoren verstärkt den sozialen Wohnungsbau in Wermelskirchen anzuschieben. Wobei klar sei: Die Flüchtlingswelle ebbe irgendwann ab. Dann stehe sozialer Wohnungsbau allen zur Verfügung. "Uns muss es gelingen, eine sozialverträgliche Mischung zu finden - wir werden Häuser anmieten."

Das wird Monika* und ihrer Familie wohl zeitnah nicht helfen. "Burscheid, Leichlingen, Witzhelden und Wuppertal - da ist man toleranter", weiß sie. Eine Freundin sei schon nach Burscheid gezogen. "Ich überlege jetzt auch, dorthin zu ziehen. Dort ist man jedenfalls familienfreundlicher als hier in Wermelskirchen", lautet ihr Fazit. (*Name ist der Redaktion bekannt)

(RP)
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