Wermelskirchen Kirmes-Kellner für einen Abend

Wermelskirchen · BM-Mitarbeiter Stephan Singer stürzte sich am Wochenende ins Wermelskirchener Kirmes-Getümmel und half am "Bermuda-Dreieck" als Kellner aus. Ein echter Knochenjob, wie er schnell feststellen musste. Ein Selbstversuch.

 Vom Schreibtisch an die Biertheke: BM-Mitarbeiter Stephan Singer bekommt von Jasmin "Pucki" Neumann von der "Centrale" eine Anleitung in Sachen Kellnern auf der Kirmes.

Vom Schreibtisch an die Biertheke: BM-Mitarbeiter Stephan Singer bekommt von Jasmin "Pucki" Neumann von der "Centrale" eine Anleitung in Sachen Kellnern auf der Kirmes.

Foto: Jürgen Moll

Wir kennen alle diese Schlaumeier-Sprüche: "Das kann ich auch" oder "Bei mir ginge das schneller, besser, schöner..." -aber wer gerne mal ein Bier trinkt und zu Hause bei der Grill-Party im Garten aus einem Fünf-Liter-Fässchen zapft, kann das noch lange nicht auf gastronomischem Niveau. Ich habe mir diesen "Knochenjob" an Theke und Zapfhahn auf der Kirmes einmal genau angeschaut, mich selber hinter die Theke gestellt, den Kellnern sowie Zapfern über die Schultern geschaut und natürlich mit einigen von ihnen gesprochen. Unterm Strich ist für mich klar: Diese Arbeit muss man nicht nur beherrschen, sondern auch lieben, um die Kirmestage durchzustehen - heisere Stimme und schmerzende Füße genauso inklusive, wie jede Menge Spaß.

An der Gaststätte "Centrale" nimmt mich Jasmin "Pucki" Neumann unter ihre Fittiche. An ihrem Arbeitsplatz in einem eigens für die Kirmes vor der Gaststätte aufgebauten Getränkestand gibt es nur Kölsch. An den anderen beiden "Tränken" der "Centrale" können die Kunden zwischen Kölsch und Pils wählen - Letzteres lässt sich bekanntlich schwieriger und weniger schnell zapfen, weil es mehr schäumt. Schnell wird mir klar: Ein Schritt in die falsche Richtung bedeutet direkt, dass ich einem Kollegen oder einer Kollegin im Weg stehe. Am Getränkestand hat jeder seinen Thekenbereich, um den er sich zu kümmern hat - aufgeteilt durch unsichtbare Grenzen.

Nur so funktioniert es: Einer zapft ständig, ich nehme mit Pucki die Bestellungen entgegen, rechne im Kopf schnell den Preis aus (1,60 Euro pro Bier plus 50 Cent Glaspfand). Der Trick ist klar: Während ich dem Zapfer ansage, was ich für den Kunden brauche und die Getränke hole, soll der Kunde schon einmal direkt das Portemonnaie zücken - das spart Zeit. Die 23-jährige Jasmin "Pucki" Neumann macht in der "Centrale" ihre Ausbildung zur Restaurant-Fachfrau und erlebt die Kirmes zum dritten Mal als Kellnerin.

Während einer fünfminütigen Pause kommen wir ins Gespräch, finden Gelegenheit, uns zu unterhalten: "Die Kirmes ist anders als das Alltags-Geschäft. Der typische, persönliche Service mit Essens-Ausgabe fehlt. Die Leute sind alle viel lockerer als sonst, keiner ist schlecht gelaunt." Pucki ist an allen Kirmestagen im Einsatz, ihr Spaß am Job ist nicht gespielt. Gefällt ihr ein Lied aus der lauten Musikanlage, steht sie tanzend hinter dem Tresen: "Kurz vor der Kirmes bekomme ich immer gute Laune." Und die 23-jährige verrät: "Die Kirmes-Stunden bringen natürlich extra Bezahlung, was meiner Haushaltskasse sehr gut tut. Die Kunden sind außerdem in den vergangenen Jahren spendabler geworden, das Trinkgeld wird stetig mehr."

Genauso wie "Centrale"-Chef Dirk Goetz hat auch Tina Jörgens vom Hotel "Zur Eich" während der Kirmes-Tage dauerhaft 15 Helfer im Einsatz. Die Gastronomen ergänzen ihr Stammpersonal dazu mit Freunden und Verwandten. "Ein gutes Team, das sich versteht und harmoniert ist sehr wichtig. Nur dann läuft es reibungslos", betont Tina Jörgens.

Eine erfahrene Kirmes-Kellnerin ist auch Yvonne Schurgatz, die ich im "Alten Brauhaus" treffe. Die 39-Jährige ist inzwischen zum achten Mal auf der Kirmes im Einsatz: "An diesen Tagen muss man nicht 100, sondern 200 Prozent an Aufmerksamkeit geben. Man hat immer mit neuen Gesichtern, ständig wechselnden Kunden zu tun. Der Stress an der Theke verdrängt den Schlafmangel. Ich trinke viel Wasser und esse auch mehr als sonst, damit der Kreislauf nicht schlapp macht. Natürlich ist irgendwann die Stimme weg. Und nach den Kirmes-Tagen ist man erst einmal froh, dass es geschafft ist", sagt sie. Aber Yvonne freut sich jedes Jahr aufs Neue auf die Kirmes: "Die Stimmung ist ausgelassener, die Leute sind viel zugänglicher. Die Steifheit des normalen Tagesgeschäfts fällt zur Kirmes weg." Eines lässt sie sich dann allerdings nicht nehmen: Kirmes-Sonntag und -Dienstag hat sie immer frei, um mit ihrer Familie das bunte Kirmes-Treiben genießen zu können.

Ob nun Jasmin, Tina oder Yvonne hinter der Theke stehen - liebe Matinee-Freunde, seid heute freundlich, nett und geduldig bei euren Getränkebestellungen! Alle Gastronomen und Kellner stehen unter Volldampf und sind im Stress - das habe auch ich erfahren dürfen. Gegenseitige Rücksichtnahme hilft. In diesem Sinne: Zum Wohl!

(sng)
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