Wermelskirchen Mutmacher Lindner tischt auf

Wermelskirchen · Beim Remscheider Arbeitgeberverband sprach der FDP-Chef auch über einen "Brexit" und Flüchtlinge.

 Christian Lindner war Gastredner beim Arbeitgeberverband im Schützenhaus. Sein Honorar spendete er für das Christliche Hospiz Bergisch Land.

Christian Lindner war Gastredner beim Arbeitgeberverband im Schützenhaus. Sein Honorar spendete er für das Christliche Hospiz Bergisch Land.

Foto: Hertgen

Wer Christian Lindner aus Wermelskirchen zum Abendessen einlädt, darf sicher sein, dass es ein kurzweiliger Abend wird. Nicht weil Lindner FDP-Bundesvorsitzender ist, sondern weil er wie nur noch sehr wenige Toppolitiker in freier, geschliffener Rede treffsicher rhetorische Spitzen setzt, ganz unabhängig davon, ob man seinen politischen Botschaften zustimmen mag oder nicht. So ging Marcus Jankowskis Kalkül am Donnerstagabend im Schützenhaus auf, als der frisch gewählte Vorsitzende des Arbeitgeberverbands von Remscheid und Umgebung nach der Mitgliederversammlung Lindner als Redner ankündigte. Die etwa 100 versammelten Mitglieder durften sich auch auf politische Spitzengastronomie freuen.

"Mut zur Marktwirtschaft" - so der Titel seines Vortrags - musste Lindner den Unternehmern nicht machen. Spannender waren aktuelle Themen, die er im Gespräch mit Radiomoderator Horst Kläuser ansprach. Kommt es zum Grexit? Lindner verteidigt die Entscheidung von 2010, Griechenland im Euro zu halten. "Das war damals richtig, Europa wäre in 1000 Teile zerfallen." Heute hält er immer weitere Finanzspritzen für falsch und glaubt dennoch: "Griechenland wird durch Mauscheleien Geld bekommen." Ein möglicher Grexit schreckt ihn nicht so sehr wie ein "Brexit", das Ausscheiden Britanniens aus der EU. "Das wäre der größtanzunehmende Unfall." Thema Flüchtlinge: Unsere liberale Verfassung mit Garantie der Grundrechte hält Lindner für die beste "Willkommenskultur". Jeder, der diese Rechts- und Weltordnung akzeptiert, sei willkommen. "Eine Scharia-Polizei können wir allerdings nicht dulden." Das Land brauche eine "qualifizierte Einwanderung". Asyl sei ein Grundrecht - "doch brauchen Flüchtlinge schnell Klarheit, ob sie bei uns eine Zukunft haben oder nicht." 200 000 liegengebliebene Altanträge auf Asyl nennt Lindner "skandalös" - "da werden Härtefälle produziert." Bei wirtschaftspolitischen Themen erntete Lindner viel stummes Kopfnicken bei seinen Zuhörern, etwa wenn er Steuererhöhungen bei Grunderwerb und Erbschaft sowie staatliche Gängelungen und Bürokratie wie bei Mindestlohn, Mietpreisbremse und Arbeitsplatzverordnungen kritisierte oder vor einer drohenden "Wohlfühlstagnation" auf dem "historischen Hochplateau" der Wohlstandsgesellschaft warnte.

Ein Zukunftsthema sei die Bildung. Digitale Ausstattung der Schulen gehöre ebenso dazu wie Lehrerfortbildung und neue Unterrichtsmethoden. "Auf dem Schulhof tippen die Schüler in ihr Handy, wenn's klingelt, gehen sie ins Klassenzimmer und kehren zurück in die Kreidezeit."

Auch einen Seitenhieb aufs Lehrpersonal konnte sich der gebürtige Wermelskirchener, dessen Vater Lehrer ist, nicht verkneifen. Bei einem Besuch in seiner alten Schule habe er festgestellt, "dass einige Lehrer immer noch den gleichen, manche sogar den selben Pullover anhaben."

(RP)
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