Hans Günter Rose "Nachwuchssorgen sind ausgemacht"

Wermelskirchen · Die Chorlandschaft befindet sich im Wandel. Vor allem die klassischen Männergesangvereine sterben langsam aus.

 Hans Günter Rose ist seit 2004 Vorsitzender des Chorverbands Bergisch Land Remscheid.

Hans Günter Rose ist seit 2004 Vorsitzender des Chorverbands Bergisch Land Remscheid.

Foto: Wolfgang Weitzdörfer

Herr Rose, was macht das Singen im Chor so besonders?

Rose Wir sagen ja immer, dass ein Zusammenhang zwischen Menschlichkeit, der Freude am Singen und guter Kameradschaft besteht. Man kann ja schlecht etwas Negatives über ein zufriedenes Miteinander sagen, nicht wahr? In der Regel ist man beim gemeinsamen Singen ja auch gut gelaunt.

Wie viele Chöre sind im Bergischen Chorverband organisiert?

Rose Bei uns im Verbandsgebiet gibt es derzeit 39 Chöre. Das Gebiet, in dem diese Chöre aktiv sind, reicht von Dabringhausen bis Hückeswagen und von Radevormwald, Wuppertal und Wermelskirchen bis Solingen und nach Remscheid. In diesen Chören singen etwa 1100 Sängerinnen und Sänger. Die Zahlen werden regelmäßig erhoben.

Welche stilistische Bandbreite gibt es da?

Rose Zunächst einmal teilen sie sich in Männer- und Frauenchöre sowie in gemischte Chöre auf. Dann gibt es natürlich traditionell den klassischen Männergesangverein und den klassischen Frauenchor. Hier wird vor allem die ältere Literatur gesungen. Dazu kommen dann aber auch moderne Strömungen wie Pop und Gospel. Es gibt auch einige Chöre mit ausländischen Einflüssen.

Sind die Kirchenchöre auch mit im Verband organisiert?

Rose Nein, die sind nicht bei uns im Verband. Aber das Bergische Chorfest, das ja regelmäßig stattfindet, ist auch offen für Kirchenchöre. Das ist aber dann schon ein wenig abgetrennt vom eigentlichen Bergischen Chorverband.

Welche Aufgaben hat der Chorverband?

Rose Das ist eine Menge Arbeit. Unser Vorstand besteht aus acht Mitgliedern, die sich diese Arbeit aufteilen. Es ist viel Organisation dabei, die Verwaltung der Beiträge zum Beispiel. Wir müssen ja an den Deutschen Chorverband und an den Chorverband Nordrhein-Westfalen Gebühren entrichten. Dann gibt es immer wieder Mitgliederzählungen, deren Ergebnisse zu bestimmten Stichtagen an die Verbände zu entrichten sind. Zu verschiedenen Anlässen muss der Kreischorleiter verschiedene Projektchöre zusammenstellen, die Ausarbeitung dieser Projekte nimmt ebenfalls viel Zeit in Anspruch. Und wir müssen die GEMA über die gesungenen Stücke bei den Konzerten ebenso informieren, wie über die erwarteten Zuschauer und ob das Konzert Eintritt kostet. Und auch die Ehrung der verdienten Mitglieder bedeutet einen großen logistischen Aufwand. Die Vorbereitung der Ehrung, die Erstellung der Urkunden und natürlich die Ehrungen selbst - all das kostet Zeit. Im vergangenen Jahr waren es beispielsweise 68 Ehrungen im ganzen Verbandsgebiet.

Wo liegen die Ursprünge des Bergischen Chorverbands?

Rose Der Verband ist stark familiengeprägt. Es gab in Remscheid 1934 Walter Ackermann, der selbst Sänger war und damals den Sängerkreis gegründet hat. Daraus hat sich dann im Laufe der Jahrzehnte der Verband entwickelt, der zuerst von Walter Ackermanns Sohn Ferdinand und später dann von dessen Sohn Dirk weiter geführt wurde. Dirk Ackermann ist 2004 verstorben, seitdem führe ich den Verband als Vorsitzender im Sinne der Sängerfamilie Ackermann fort.

Warum sterben die Chöre nach und nach weg?

Rose Im Moment sieht es so aus, dass vor allem die Männerchöre aussterben. Alte Mitglieder werden zu alt, neue kommen nicht nach. Im Verbandsgebiet gibt es derzeit vier Männerchöre, die aus Mangel an Stimmen das Singen wohl in der nächsten Zeit drangeben werden müssen. Bei den Frauenchören sieht es etwas anders aus, denn deren Anzahl nimmt derzeit zu. Die Frauen scheinen da insgesamt wohl etwas flexibler zu sein. Da gibt es ja die tollsten Strömungen, gerade im Gospel-Bereich. Ich persönlich finde aber, dass, gerade von der Stimmlage her, die klassischen Männerchöre am schönsten klingen. Das soll aber nicht heißen, dass Frauenchöre nicht toll klingen oder Frauen nicht singen könnten. Im Gegenteil.

Wie kann man dem Chorsterben entgegenwirken?

Rose Es wird ja bereits eine Menge gemacht, dazu genügt ein Blick auf die Chorseite des Chorverbands Nordrhein-Westfalen. Da gibt es Projektchöre, Informationen und Angebote - manchmal ist es schlicht nicht nachvollziehbar, dass es dennoch nicht genug Nachwuchs gibt. Es wird ja auch viel für die Jugend angeboten. Und all die Projekte kommen in der Regel beim Publikum sehr gut an. Ein großes Problem, gerade auch beim Nachwuchs, ist aber meiner Meinung nach hausgemacht: Wenn die Kinder früher aus der Schule kamen, hatten sie nach den Schularbeiten den Nachmittag frei und konnten problemlos auch etwa in einen Chor gehen. Heute kommen die Kinder um 16 Uhr aus der Schule und haben dann natürlich keine Lust mehr, sich noch an einen Verein zu binden. Diejenigen, die dann noch was machen, sind leider sehr selten.

Wann war die Hoch-Zeit in der Bergischen Chorbewegung?

Rose Ich kann mich erinnern, dass ich 1975 genau 88 Chöre gezählt habe. Das hat sich bis heute auf 39 Chöre reduziert, vor acht Jahren waren es noch 46. Dazu zählen aber auch immer sehr spezielle, teils nur kurzlebige Vokalensembles. Die Gruppen sind meist nach ein oder zwei Jahren wieder Geschichte.

Gibt es im Verbandsgebiet genügend gute Chorleiter?

Rose Ja, einen Mangel gibt es nicht. Heute haben die Chorleiter ein Gehalt, das von den Mitgliedsbeiträgen kaum bestritten werden kann. Früher hat vielleicht ein Lehrer oder Organist am Abend noch dirigiert, der hat dann ein bisschen Geld dafür bekommen. Das gibt es heute so nicht mehr. Deswegen stehen auch viele Chorleiter mehreren Chören vor, weil sie von einem alleine nicht leben könnten. Insofern sind schon genügend Chorleiter vorhanden.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER

(RP)
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