Brigitte Hallenberg "Oft ist schon das Zuhören hilfreich"

Wermelskirchen · Einst gründete sie die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe. Jetzt ist Brigitte Hallenberg Vorsitzende des Behinderten-Beirates.

 Brigitte Hallenberg (61) ist engagiert. Sie ist Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderung - und hat drei Kinder großgezogen.

Brigitte Hallenberg (61) ist engagiert. Sie ist Vorsitzende des Beirates für Menschen mit Behinderung - und hat drei Kinder großgezogen.

Foto: Michael Schütz

WERMELSKIRCHEN Sie gehört seit zehn Jahren dem städtischen Beirat für Menschen mit Behinderung an und gründete vor neun Jahren die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe. Als Vorsitzende ist Brigitte Hallenberg jetzt das "Gesicht" des Wermelskirchener Beirats. Obendrein guckt die 61-Jährige als Mitglied des kreisweiten Beirats für Menschen mit Behinderung in Rhein-Berg und als Mitglied des erweiterten Vorstands vom Schlaganfall-Landesverband Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Lünen regelmäßig über den sprichwörtlichen "Tellerrand". Brigitte Hallenberg weiß, dass nicht alles perfekt ist und in Zeiten knapper öffentlicher Kassen auch nicht sofort geändert werden kann. Nichtsdestotrotz sieht die Mutter dreier, inzwischen erwachsener Kinder den Beirat und die Arbeit für Menschen mit Behinderung auf einem guten Weg.

Sie gelten als engagierte Frau voller Elan und Einsatzfreude. Wie sind Sie zu Ihrer ehrenamtlichen Arbeit gekommen?

Hallenberg Ich habe zwei Ehemänner, die ich auch gepflegt habe, durch Schlaganfälle verloren. Ich habe meinen Mann nach Schlaganfall zehn Jahre gepflegt, mein erster Mann hatte auch einen Schlaganfall, und sonst bin ich an verschiedenen Ecken damit in Kontakt gekommen. Als pflegende Angehörige kam ich erst in den Beirat für Menschen mit Behinderung, kurze Zeit später habe ich die Schlaganfall-Selbsthilfegruppe gegründet.

Das sind persönlich sehr belastende Erlebnisse. Dennoch wollten Sie sich engagieren?

Hallenberg Nach zehn Jahren Pflege war mein Rücken so kaputt, dass ich nicht mehr arbeiten konnte. Deshalb bin ich in Rente. Ich habe aber zu viele Ideen im Kopf, um Zuhause zu hocken mit nichts zu tun - da bin ich nicht der Typ für. Durch mein Engagement ist mein Mann nicht umsonst gestorben!

Einmal abgesehen von Sitzungen und Treffen der Gremien, was macht Ihre Arbeit aus?

Hallenberg In erster Linie ist mein Telefon eine Notfallnummer, unter der ich ständig erreichbar bin oder ein Anrufbeantworter zur Verfügung steht. Ich bin bei akuten Problemen gerne da, um zu helfen. Dazu kommt der Papierkram im Verein, das Organisieren von Veranstaltungen und Treffen. Ich hole dann auch viele Leute ab und bringe sie wieder nach Hause. Zu Beratungsgesprächen kommen Menschen zu mir oder ich besuche sie.

Das klingt nach viel Zeitaufwand.

Hallenberg Das hat schon fast das Ausmaß einer Vollzeitarbeit. Es bleibt mir aber schon noch Zeit für mich, da ich mir ja viele Termine einteilen kann. Bevor ich an meine Belastungsgrenze komme, nehme ich mir eine Pause.

Sie haben mit vielen Schicksalen und manchmal auch Leid zu tun. Belastet sie das?

Hallenberg Natürlich. Ich habe mit vielen unterschiedlichen Menschen zu tun. Durch meinen Glauben und meine Erfahrung gelingt es mir, mich auf die Menschen einzustellen. Durch mein Leben und meinen Glauben an Gott betrachte ich mein Engagement nicht als Arbeit - sie ist ein Stück meines Lebens. Das ist keine Belastung im eigentlichen Sinne. Ich weiß, dass diese Arbeit für mich richtig ist.

Erleichtern Ihre persönlichen Erfahrungen den Zugang zu Menschen mit Problemen?

Hallenberg Meine eigenen Erfahrungen verschaffen mir das Vertrauen, dass ich viele Dinge gut nachvollziehen kann. Fälle von Schlaganfall, Epilepsie oder Parkinson erfordern einen Einsatz rund um die Uhr. Manchmal geht es jedoch nicht um die direkte Antwort. Sondern oft ist schon das Zuhören hilfreich, einfach Verständnis aufzubringen.

Wo sehen Sie die Probleme für Menschen mit Behinderung in der Stadt?

Hallenberg Barrierefreie Wohnungen haben wir in Wermelskirchen inzwischen einige. In der Innenstadt fehlt die Möglichkeit, zentrumsnah einzukaufen. Und: Wo kann man als Rollstuhlfahrer in der Freizeit hin? In vielen Gaststätten und Restaurants erreicht man die Toiletten nur über eine Treppe. Aber wenn ich mir andere Städte ansehe, wird in Wermelskirchen viel für Behinderte getan, da sind wir hier teilweise schon weiter.

Sie sehen den Beirat für Menschen mit Behinderung nicht als reine "Alibi-Veranstaltung" von Politik und Verwaltung an?

Hallenberg Nein, auf keinen Fall. Wir waren beispielsweise beim Innenstadtumbau oder beim Neubau des Busbahnhofs schon während der Planungen mit eingebunden. So können wir immer wieder auf Knackpunkte hinweisen, denn wir haben den Sachverstand, wo es darauf ankommt. Bei uns im Beirat sind schließlich von der Geh- bis zur Sehbehinderung viele Handicaps vertreten. Wir werden von der Stadt ernst genommen. Wenn sich nichts verändert hätte, hätten wir in den vergangenen zehn Jahren geschlafen.

Engagement ist Ihnen also nach wie vor wichtig?

Hallenberg Es fallen immer neue Sachen an und auf. Die Bürger dürfen und sollen uns gerne darauf hinweisen. Wir suchen dann den Kontakt zur Verwaltung und nach Lösungen. Es fehlt natürlich immer das Eine oder Andere, aber wir sind auf einem guten Weg. Das Ziel ist, dass Menschen mit egal welcher Behinderung eigenständig klar kommen!

(sng)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort