Wermelskirchen Schülerin startet trotz Handicap durch

Wermelskirchen · Annalena Kovac kam mit einem Gendefekt zur Welt. Schon als Kind hatte sie nur einen Wunsch: Sie wollte so sein, wie alle anderen Kinder auch. Der Fall der 13-jährigen Wermelskirchenerin ist ein gutes Beispiel für gelungene Inklusion.

 Annalena Kovac (13) aus der Klasse 7a mit ihren Klassenlehrern Christian Vorkauf und Frederike Schenk mit einem Modell der Gitterenergie von Kochsalz.

Annalena Kovac (13) aus der Klasse 7a mit ihren Klassenlehrern Christian Vorkauf und Frederike Schenk mit einem Modell der Gitterenergie von Kochsalz.

Foto: Moll

Es ist für Annalena Kovac (13) noch immer ein kleines Wunder, dass sie jeden Morgen in einen Bus einsteigen und zum Gymnasium fahren kann. "Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich Angst hatte zu scheitern", sagt die Schülerin, als sie an ihre frühe Kindheit zurückdenkt. "Damals dachten die Ärzte, dass ich nie normal laufen, schwimmen oder mit einem Fahrrad fahren könnte."

Annalena Kovac wurde mit einem mutierten Gen geboren, weshalb unter anderem ihre Schilddrüse nicht richtig funktioniert. Welche Krankheit genau ihr noch vor einigen Jahren das Leben sehr erschwerte, kann die 13-Jährige nicht sagen. Es scheint sie auch wenig zu interessieren. Denn dank des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das die Vereinten Nationen 2006 beschlossen, taten sich für Annalena neue Möglichkeiten auf. Sie war in der vierten Klasse, als sich auch in NRW die Gesetze änderten.

"Mit einem Mal hatten wir ein Recht auf inklusive Bildung und konnten unser Kind guten Gewissens auf das Gymnasium schicken", erzählt Mutter Claudia Kovac. Die Wermelskirchenerin hat viel gekämpft, um ihrer Tochter ein ganz normales Leben zu ermöglichen. "Wir merkten früh, dass etwas nicht stimmte, weil sich bestimmte körperliche Entwicklungen verzögerten. Die Ursache dafür war aber lange nicht klar."

Die Diagnose war ein Zufallsbefund: Ein Gen mit dem Namen NKX2.1 sei defekt. Als das bekannt wurde, war Annalena bereits im Kindergarten. Es folgten weitere unzählige Untersuchungen und Therapien, um die Entwicklung zu unterstützen. Ziel war es, dem Mädchen den Weg in eine Schule für körperbehinderte Kinder zu ersparen. "Damit wäre für sie die schlimmste Prophezeiung wahr geworden", sagt ihre Mutter. "Annalena ist einem Test zufolge überdurchschnittlich intelligent und wollte nie etwas anderes, als so zu sein und so zu leben wie alle anderen Kinder."

Heute hat die Siebtklässlerin locker den Übergang von der Erprobungs- in die Mittelstufe des Gymnasiums geschafft und sie macht sogar weitgehend normal beim Sportunterricht mit. Nur manchmal werden die sportlichen Regeln und Noten für sie etwas geändert oder sie bekommt beim Schreiben von Klassenarbeiten mehr Zeit, falls sie diese benötigt. "Das haben wir alles der Inklusion zu verdanken", sagt Claudia Kovac. Nun gebe es einen Rechtsanspruch auf Unterstützung. "Wenn es jetzt an irgendeiner Stelle hapert, weil unser Kind Defizite hat, stehen wir nicht alleine da und tragen auch nicht die alleinige Verantwortung", sagt die Mutter.

"Natürlich konnten schon früher Kinder mit Einschränkungen das Gymnasium besuchen, sofern dies organisatorisch möglich war", erklärt Lehrer Christian Vorkauf, der mit Frederike Schenck Annalenas Klassenlehrer-Team bildet. "Anforderungen an bauliche und personelle Ausstattungen konnten die Inklusion jedoch verhindern, wenn der Schulträger nicht zu einer Ausstattungserweiterung bereit war."

Vorkauf führt als Beispiel für frühes gemeinsames Lernen den Fall einer blinden Schülerin an, die er vor 19 Jahren unterrichtet hatte. Das Mädchen habe auf private Kosten einen Zivildienstleistenden als Begleiter gehabt. Ein anderes Beispiel sei ein Junge ohne Beine, der von Mitschülern über die Treppen in die Fachräume getragen wurde.

Inklusion sei also nichts Neues, "wohl aber der Auftrag an die Kommunen, das gemeinsame Lernen allen Kindern zu ermöglichen". Inklusion müsse so umgesetzt werden, "dass die Mitschüler nicht das Gefühl bekommen, dass jemand bevorzugt werde", sagt Schenck. Daher sei es wichtig, sensibel mit dem Thema umzugehen.

(mela)
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