Wermelskirchen Schulden sind immer noch ein Tabuthema

Wermelskirchen · Die Zahl der Wermelskirchener mit finanziellen Problemen bleibt hoch. Mehr als 800 Ratsuchende baten 2015 die Schuldnerberatung um Hilfe. Die Zahl der verschuldeten Senioren nimmt zu. Enorm wichtig ist die Präventionsarbeit.

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Foto: ddp

Trotz steigender Beschäftigungszahlen auf dem Arbeitsmarkt ist der Bedarf an Schuldnerberatung in Wermelskirchen ungebrochen - zu diesem Fazit kommt die Awo-Schuldnerberatung in ihrem aktuellen Jahresbericht für Wermelskirchen. Eine noch nicht einzuschätzende Bedarfsgruppe werde möglicherweise die der Flüchtlinge sein, teilt Schuldnerberaterin Jutta Paulig mit.

"Die Erfahrung anderer Städte zeigt, dass sich Mobilfunkanbieter die schlechten bzw. nicht vorhandenen Sprachkenntnisse von Asylbewerbern zunutze machen und sich Verträge unterschreiben lassen, die nicht nur am Bedarf der Flüchtlinge vorbeigehen, sondern diese unweigerlich in eine Schuldenfalle tappen lassen", betont Paulig. Man könne nur hoffen, dass in Wermelskirchen Betreuer in den Unterkünften für Asylbewerber rechtzeitig vor solchen Handyfallen warnen. Die stetig zunehmende Verschuldung von immer mehr Menschen stellt die Beratungsstelle vor eine große Herausforderung.

Im vergangenen Jahr meldeten sich 502 Ratsuchende in der offenen Sprechstunde der Schuldnerberatung, weitere 333 Menschen vereinbarten feste Termine für eine Beratung. Hinzu kommt noch die hohe Zahl Anrufe von Hilfesuchenden - 1281 Anfragen nahm das Team der Schuldnerberatung entgegen. 148 Ratsuchende nahmen zum ersten Mal diese Hilfe in Anspruch. Paulig: "Uns gelingt es, allen Ratsuchenden ohne lange Wartezeiten unsere Unterstützung anzubieten. Wir haben zwei Tage pro Woche für neue Hilfebedürftige reserviert."

Im vergangenen Jahr nahmen auch 13 Leichlinger das Angebot der Wermelskirchener Schuldnerberatung in Anspruch, weil die Beratungsstelle dort eingestellt werden musste. Ratsuchende aus anderen Gemeinden werden laut Paulig aber nur beraten, wenn sie über den Rheinisch-Bergischen Kreis abgerechnet werden können.

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Was in der Auswertung deutlich wird: Altersarmut wird auch in Wermelskirchen spürbar. "Die Zahl der Ratsuchenden über 60 Jahre nimmt weiter zu", betont Paulig. Der Anteil beträgt mittlerweile 13 Prozent (40 Beratungen in 2015). Den größten Anteil - knapp 30 Prozent - macht die Altersklasse "31 bis 40 Jahre" (86 Beratungen) aus.

"Überschuldung ist weniger das Resultat von verschwenderischem Konsum oder einer unangemessenen Lebensführung. Vielmehr ist es eine Folge kritischer Lebenssituationen - häufig ist eine Kettenreaktion solcher Krisen zu beobachten", erläutert Paulig. Ziel jeder Beratung ist, dass die Ratsuchenden schuldenfrei werden. "Häufig ist aber auch die Abwendung einer weiteren Verschlechterung der finanziellen Situation ein Erfolg", gibt die Schuldnerberaterin zu. Der weitaus größte Teil der Überschuldeten, die sich an die Beratungsstelle wenden, hat Schulden bis etwa 10.000 Euro. Energiekosten, Kleinkredite für Autos, Rundfunkgebühren oder auch Handyrechnungen können dafür ausschlaggebend sein. Und Paulig ergänzt: "Trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit sind viele Ratsuchende durch Niedriglöhne, Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge von einer Einkommensreduzierung betroffen."

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Ein wichtiger Bestandteil der täglichen Arbeit der Schuldnerberater ist das Thema Prävention. Immer noch seien Schulden in weiten Teilen der Bevölkerung ein Tabuthema. "Das Gefühl, versagt zu haben, beziehen Ratsuchende nicht allein auf ihre finanzielle Misslage, sondern häufig auf ihre gesamten Lebensbereiche", erläutert die Schuldnerberaterin. Das zögere die Entscheidung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, länger heraus, als es für die Bekämpfung der Ursachen hilfreich sei.

Eines der wichtigsten Ziele: Das Team der Schuldnerberatung möchte möglichst viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene sensibilisieren und die Zahl der ersten Stolperfallen auf dem Weg in eine Verschuldung verringern. Dabei stellen sie fest, dass die Finanzkompetenz nicht nur von jungen Leuten, sondern auch von Erwachsenen oft nur unzureichend ausgebildet ist. Paulig: "Der Umgang mit Geld muss früh erlernt werden."

(ser)
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