Wermelskirchen Süßes im Schulkiosk ist kein Tabu

Wermelskirchen · Nur frisches Obst zieht in den Kiosken der Schulen nicht. Wichtig ist aber, dass Eltern ihren Kindern gesundes Essen vorleben, sagt Kinderarzt Thomas Kuske. Caterer Uwe Nickut meint, den Schülern die Entscheidung zu überlassen.

 Julia Herrmann (l.) und Melanie Faßbender von der Cateringfirma Uwe Nickut betreuen auch den Schulkiosk in der Mensa des Gymnasiums. Und da gibt es natürlich auch Süßes.

Julia Herrmann (l.) und Melanie Faßbender von der Cateringfirma Uwe Nickut betreuen auch den Schulkiosk in der Mensa des Gymnasiums. Und da gibt es natürlich auch Süßes.

Foto: Stephan Singer

Kerstin Schmitt (41) ist keine Expertin für Wirtschaftspolitik. Trotzdem steht für die dreifache Mutter aus Wermelskirchen fest: Ein Angebot orientiert sich an der Nachfrage. Und so wundert es die gebürtige Dortmunderin keineswegs, wenn an einem Schulkiosk entgegen allen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen nicht bloß Äpfel und Birnen über die Ladentheke wandern. "Was bringt es, nur gesund belegte Brote und Obst anzubieten, wenn das kaum ein Kind kaufen will?", fragt die studierte Pädagogin und erinnert sich, dass es schon zu ihrer Gymnasialzeit unmöglich war, den Schülern in den Pausen bloß Gesundes schmackhaft zu machen.

"Frisches Obst in großen Mengen würde nur verrotten", sagt Uwe Nickut, der als Caterer im Auftrag der Stadt Wermelskirchen sowohl den Schulkiosk der Sekundarschule als auch den Kiosk im Bistro-Bereich der Mensa des Gymnasiums betreibt. Zwar könne ein Schulträger über Vorgaben durchsetzen, "dass den Schülern in den Pausen oder in der Übermittagsbetreuung nur zuckerfreie Waren verkauft werden". In der Praxis führe das erfahrungsgemäß aber bloß dazu, "dass die Oberstufenschüler sich ihr Mittagessen in der Stadt holen oder die Pizza-Taxis vor die Schule bestellen".

Nickut findet es daher wichtig, "den Schülern im Bistro-Bereich die Entscheidung zu überlassen". Allerdings müsse auch hier die Auswahl wie beim Mittagstisch ausgewogen sein. "Natürlich würde ich mir persönlich wünschen, am Schulkiosk ohne Süßigkeiten auszukommen. Wir müssen aber mit unserem Angebot im Bistro-Bereich wirtschaftlich und an der Nachfrage orientiert arbeiten. Denn die Erträge aus diesem Bereich stellen eine Querfinanzierung für ein erschwingliches vollwertiges Mittagsangebot dar, das bei uns sogar eine frei zugängliche Salatbar beinhaltet."

Dass eine gesunde Gemeinschaftsgastronomie betriebswirtschaftlich organisiert werden muss, kann der Kinder- und Jugendarzt Thomas Kuske aus Wermelskirchen nachvollziehen: "Man muss sich aber bewusst machen, dass eine Schule mit dem Verkauf von zuckerhaltigen Waren in profitablen Kiosken die Ernährungspyramide auf den Kopf stellt." Es sei inkonsequent, "wenn man einerseits mit Präventionsprogrammen wie Klasse 2000 Gesundheitsförderung in Grundschulen betreibt, um die Präventionsversuche später an den weiterführenden Schulen mit dem Verkauf von Pizza-Zungen und gezuckerten Säften zu torpedieren".

Denn die epidemieartige Zunahme von Übergewicht werde nicht nur durch mangelnde Bewegung, sondern auch durch falsche Ernährung gefördert. Bei Kindern entstehe ein Teufelskreis. "Wer schon als Kind zu dick ist, bewegt sich weniger, macht nicht gerne Sport und wird noch dicker - vor allem dann, wenn das Kind obendrein gehänselt wird", sagt der Arzt. Zudem transportiere jedes zweite Kind sein Übergewicht ins Erwachsenenalter.

Schlagende Argumente, die der Leiter der Sekundarschule, Dietmar Paulig, kennt. Dennoch muss auch er akzeptieren, dass an seiner Schule Süßes und Salziges am Kiosk normal sind. Das habe aber eben nicht nur etwas mit den betriebswirtschaftlichen Zwängen von Caterern zu tun. "Es gibt durchaus auch in den Elternschaften, die bei den Mensa-Konzepten der Städte über ihre Vertreter mitreden, den Wunsch nach einem süßen Angebot für ihre Kinder", sagt er. Weshalb sich der Schulleiter erhofft, dass sich zunächst die Erziehungsmethoden wandeln. "Wenn Eltern ihren Kindern beibringen und bestenfalls sogar vorleben, welches Essen für sie gut ist, dann ist das eine wichtige Stellschraube."

Es ändere zwar nichts am Angebot, wohl aber verändere sich die Nachfrage. Ein Standpunkt, den auch Andreas Voß vom Amt für Jugend, Bildung und Sport vertritt. "Wir können die Uhr nicht zurückdrehen und wieder einführen, dass die Hausmeister nur Schulmilch verkaufen", sagt der Amtsleiter, der die Stadt Wermelskirchen in dieser Frage vertritt. Mit dem Wunsch nach einer Übermittagsversorgung hätten die Eltern die Caterer und ihr erweitertes Angebot in die Schulen geholt. Das Angebot könne zwar "in Abstimmung mit den Schulen mit beeinflusst werden", orientiere sich aber auch am Bedarf. Letztlich müssten nun die Eltern mit den Realzwängen leben.

(mela)
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