Interview: Sommerinterview Bürgermeister Weik lässt Verkehrssituation neu planen

Wermelskirchen · Der Verwaltungschef spricht über die Verkehrsproblematik, die Stadtentwicklung, den Loches-Platz und den Tourismus.

 Dis Verkehrssituation in der Innenstadt ist ein Thema, mit dem Bürgermeister Eric Weik sehr unzufrieden ist. Im nächsten halben Jahr werde die Verwaltung den Politikern neue Vorschläge unterbreiten, kündigt er an.

Dis Verkehrssituation in der Innenstadt ist ein Thema, mit dem Bürgermeister Eric Weik sehr unzufrieden ist. Im nächsten halben Jahr werde die Verwaltung den Politikern neue Vorschläge unterbreiten, kündigt er an.

Foto: Nico Hertgen

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 5200 Autos fahren täglich über die Telegrafenstraße - deutlich zu viele, findet die Stadtverwaltung. Jetzt geht es darum, wie der Verkehr besser durch die Innenstadt geleitet werden kann.

5200 Autos fahren täglich über die Telegrafenstraße - deutlich zu viele, findet die Stadtverwaltung. Jetzt geht es darum, wie der Verkehr besser durch die Innenstadt geleitet werden kann.

Foto: Teifel (Archiv)

Weik Sehr gut. Heute ist ein guter Tag. Es gibt Zeiten, in denen man als Bürgermeister mit vielen Sorgen in der Tasche herumläuft, und Tage, an denen man glaubt, dass man alles richtig macht. Nachdem wir gerade im Verwaltungsvorstand die laufenden Projekte durchgesprochen haben, habe ich das gute Gefühl, dass wir alles einem guten Ende zuführen. Das hatte ich in den vergangenen zwei Jahren nicht oft.

Warum?

Weik Vielleicht war der erste Schlag auch schon vor vier, fünf Jahren, als wir die Nachricht bekommen haben, dass die Gewerbesteuer wegbricht. Da haben wir gedacht: Wie soll das noch funktionieren? Kein Unternehmen hätte das kompensieren können. Wir mussten es, ohne Leistungen zurückzufahren und Personal abzubauen. Dann kam noch die Sache mit den Schulen, als klar war, dass wir wegen Schadstoffbelastung eine Grundschule und eine Realschule aufgeben und wir die Schullandschaft völlig neu gestalten müssen. Heute ist alles geklärt, was die Schulen betrifft: Wir sind im Zeitplan, und wir sind im Kostenplan. Gleiches gilt für die Rathausfassade. Man darf nicht vergessen: Es ist so viel auf einmal. Im Lebenszyklus einer Stadt baut man alle 20 Jahre eine Schule, wir bauen ganz viele gleichzeitig um, an und neu.

Und die Rathaus-Fassade?

Weik Die ist ja wie die PCB-Belastung eines der unangenehmen Geschenke aus der Vergangenheit. Ich weiß, dass die Leute sich lustig machen über die Stadtverwaltung und über mich, weil das Gerüst so lange da steht. Aber daran hängen so komplexe Fragestellungen. Jetzt wissen wir, wie's geht - und das ist super. Jetzt haben wir wichtige Projekte geschafft - und dann macht der Job auch Spaß.

Apropos Job: Im September 2015 sind in Wermelskirchen Bürgermeisterwahlen. Treten Sie noch einmal an?

Weik Das ist noch so lange hin, das sind noch eineinhalb Jahre, und davor müssen noch einige Dinge fertig werden, die ich unbedingt zu einem guten Ende führen möchte. Reden wir über die nächste Frage.

Aber manche Projekte werden länger als eineinhalb Jahre dauern.

Weik Klar. Trotzdem: Wenn ich heute sage, ich höre auf: Was sollen denn meine Mitarbeiter machen? Die müssen doch denken, dass alles, was ich sage, morgen Makulatur sein kann. Und wenn ich weitermache und sage Ihnen das heute, dann beginnt morgen der Wahlkampf. Dann geht hier nichts mehr. Deswegen muss ich die Entscheidung so lange wie möglich herauszögern.

Bleiben wir also bei den Baustellen, die unmittelbar anstehen. Direkt bei Ihnen vor der Tür. Die Telegrafenstraße. Die Rathausfassade wird fertig, Uhle wird fertig, bleibt noch. . .

Weik Das habe ich gar nicht erwähnt. Uhle wird fertig! Alle haben geunkt, das wird nichts. Er wird fertig, jetzt sehen's alle. Das ist sehr gut für die Innenstadt. Und den Busbahnhof machen wir auch noch, das letzte große Innenstadtbauprojekt.

Zurück zur Telegrafenstraße. Die Verkehrssituation ist immer noch nicht gelöst. Was stellen Sie sich vor?

Weik Das ist ein Thema, mit dem ich sehr unzufrieden bin. Der Verkehr ist viel schneller und stärker gewachsen, als wir es als Stadt bei der Planung des Innenstadtumbaus vorhergesehen haben. Ein Beispiel, das vieles zeigt: Als ich 2004 nach Wermelskirchen kam, habe ich gefragt, wo die Radwege sind. Antwort: Brauchen wir nicht, weil wir keine Radfahrer haben. Das ist heute unvorstellbar. Wir haben einen Ausschuss im Stadtrat, der nennt sich Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr. Ich bin der Meinung, dass man ihn in Zukunftsausschuss umbenennen müsste. Denn wenn jemand eine Stadt umbaut, dann muss er überlegen, was auch in 20 Jahren noch relevant ist, nicht heute. In diesem Ausschuss müssen Leute sitzen, die in die Zukunft denken können und was mit Zukunft zu tun haben.

Der Verkehr in der Innenstadt muss aber nicht erst in 20 Jahren funktionieren, sondern schon jetzt.

Weik Ja, das Thema ist nicht gelöst. Ich bin überzeugt, dass der Innenstadt-Umbau eine super Sache war. Die Innenstadt hat ohne Einschränkung gewonnen. Das sieht und sagt jeder Auswärtige, die Wermelskirchener selbst tun sich mit dieser Erkenntnis etwas schwer. Aber man hat damals den Verkehr nicht richtig gedacht. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen.

Was?

Weik Das Thema Fahrradfahren muss mit rein. Und wir müssen darüber nachdenken, was in 20 Jahren ist. Ich versuche, ein Car-Sharing-Modell einzuführen. In großen Städten ist das gang und gäbe, aber das wird auch bei uns kommen. Also wird die Innenstadt der Zukunft vielleicht viel weniger Belastung haben - und dann brauche ich auch nicht so viele Parkplätze. Und viel mehr ÖPNV.

Das heißt konkret?

Weik Zum Verkehr in der Innenstadt wird die Verwaltung im nächsten halben Jahr einen neuen Vorschlag vorlegen, mit dem sich die Politik auseinandersetzen muss. Das werden wir professionell von einem Verkehrsplaner begleiten lassen, und zwar so, dass es auch in 20 Jahren noch passt.

Wenn der Innenstadt-Umbau abgeschlossen ist, wird der Loches-Platz zum Thema Nummer eins.

Weik Für mich nicht.

Warum?

Weik Das ist seit mehr als 20 Jahren ein typisches Politik-Thema. Eine Entwicklung in Deutschland ist, dass es in vergleichbaren Städten in der Innenstadt keine Vollsortimenter gibt. Das finde ich auch nicht so toll, aber dadurch passiert etwas ganz Interessantes, das kann man auch hier in Wermelskirchen sehen: Es gibt auf einmal wieder kleine Läden, wie zum Beispiel Früchte Krings. Neben Kaufpark funktionierte der nicht, jetzt schon. Die kleinen Läden haben wieder eine Chance.

Das heißt nun für den Loches-Platz?

Weik Ich würde gerne auf den Loches-Platz einen Vollsortimenter setzen. Aber ich glaube, dass der Platz dafür nicht da ist. Ich will die innerstädtische Kirmes erhalten. In unserer Nachbarschaft haben Städte an ihrer Kirmes rumgefrickelt und haben sie verloren. Kirmes ist echt kompliziert und hat eigene Gesetze. Das Entenangeln muss neben dem Bierstand sein, damit die Eltern was trinken können, während die Kinder angeln. Nehme ich den einen Stand weg, ist auch der andere weg. Aber wenn wir ein Geschäft mit 1500 Quadratmetern aufwärts auf den Loches-Platz setzen, ist die Kirmes dort nicht mehr so wie heute möglich. Ich glaube, dass wir an diese über 400 Jahre alte Tradition nicht ran sollten, das ist ein großer Wert.

Ist die Kirmes in Wermelskirchen Ihr einziger Einwand?

Weik Die zweite Funktion des Loches-Platzes ist Parkplatz. Wir haben dort, nur dort, freie innerstädtische Dauerparkplätze. Das würde kein Betreiber eines Vollsortimenters mitmachen. Und keiner würde für zwei Wochen rund um die Kirmes zumachen. Ich glaube, dass die Zukunft des Loches-Platzes so ist, dass dort tagsüber weiter geparkt werden kann und es gelingen kann, ihn so herzurichten, dass er auch ein Veranstaltungsplatz ist.

Wie sollte das aussehen?

Weik Ich kann mir an einer Stelle eine Überdachung vorstellen, vielleicht eine Art Muschel, wo Markt drunter stattfinden kann, auch mal wettergeschützt ein Konzert. Der Platz muss mehr Aufenthaltsqualität bekommen und schöner werden. Wir haben alle anderen Plätze ja auch schöner gemacht. Wir sollten baulich aber nicht so viel daran machen, weil dann andere Sachen gefährdet werden. Deshalb sehe ich dort den Vollsortimenter nicht. Ich fürchte, wir würden auch den innerstädtischen Verkehr gar nicht mehr in den Griff bekommen. Das wären viele tausend Fahrzeuge pro Tag. Wie viele genau, lassen wir gerade im Zuge der Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts ermitteln. Klar ist: Diese Kreuzung an der Eich verträgt keine mehrere tausend Autos. Da bricht uns das ganze System zusammen. Und ich fürchte, viele Wermelskirchener haben keine Vorstellungen von der Größe eines Vollsortimenters. "Toom" ist ein kleiner.

Fazit?

Weik Ich glaube, dass auf den Loches-Platz ein Supermarkt gehört, vielleicht sogar mit innerstädtischem Wohnen im Obergeschoss. Wenn das Gutachten aber ergibt, dass da ein Vollsortimenter hingehört und dass der sich mit der Kirmes und dem Parken und dem Verkehr verträgt, bin ich der letzte, der das verhindert.

Wann ist das Gutachten fertig?

Weik Vermutlich Ende des Jahres.

Es ist also die Argumentationsgrundlage schlechthin?

Weik Ja, es liefert Fakten für alle. Danach wissen wir, wohin die Reise geht. Alles ist möglich. Und abhängig davon sage mir keiner, dass die neue Innenstadt nicht funktioniert. Das tut sie! Wir haben so wenige Leerstände, wie noch nie. Demnächst ist die Telegrafenpassage erstmals wieder voll. Auch an der Eich gibt es kaum noch Leerstände. Die Entwicklung ist insgesamt absolut positiv.

Gibt es Ideen für den Kaufpark?

Weik Ja, gibt es. Ist aber nicht so einfach, weil alles mit dem Eigentümer besprochen werden muss. Mehrere Firmen haben Nutzungsvorschläge gemacht. Es wird vermutlich nur etwas dauern, hat es beim Ringkaufhaus ja auch.

Gilt das auch fürs Rhombus-Gelände?

Weik Das steht schon ewig leer. Das Gelände ist sehr groß, und die Gebäude darauf müssen weg, man braucht also eine hohe Einstandsinvestition, bevor man irgendwas machen kann. Das ist schwierig, wenn man zum Beispiel einen Gewerbepark mit vielen Kleinunternehmern machen möchte. Eine große Lösung wäre einfacher. Das wäre ein Vollsortimenter, den will die Politik aber nicht. Deswegen versuchen wir als Stadt, dem Investor bei der Suche nach Gewerbebetrieben zu helfen.

Der neue Stadtrat hat unmittelbar nach der Sommerpause nichts Großes zu entscheiden. Ist dann auch mal Luft für vermeintlich Kleines, den Tourismus zum Beispiel?

Weik Unbedingt. Das ist eines der vernachlässigten Themen unserer Stadt. Der Wermelskirchener an sich ist sich nicht bewusst, wie viel das Stadtbild und die Umgebung wert sind. Die Wanderwege haben einen hohen Stellenwert. Aus ganz NRW reisen Menschen hierhin, um hier zu wandern. Mit dem Stadtmarketingverein WiW wollen wir das Thema Tourismus stärker auf die Agenda setzen. Einzelhändler, Hoteliers und Gastronomen sind die ersten, die jetzt merken, dass auch mit dem Radtourismus mehr Leute hierhin kommen und dass ihnen das Thema Tourismus Geld bringt. Auch der Jakobsweg hat hohe Bedeutung und ist noch vernachlässigt. Wir werben nicht damit oder können die Zahl der freien Betten nennen. Die Nachfrage ist schon da - aber wir selber haben es noch nicht gemerkt. Das ist eines der großen Themen für die nächsten zehn Jahre.

Noch ein Tourismusthema. In einem Monat ist in Remscheid WDR 2-Tag. Gehen Sie hin?

Weik (flüstert) Nein.

KRISTINA HELLWIG UND SEBASTIAN RADERMACHER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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