Wermelskirchen Wenn Emails und der Liebe Wellen mehr werden

Wermelskirchen · Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht? Das ist der Stoff, aus dem Liebesgeschichten gestrickt werden. Diese Frage verheißt Spannung und erzeugt persönliche Anteilnahme. Und damit lag der Reiz des Zweipersonenstücks "Gut gegen Nordwind" von Daniel Glattauer im ausverkauften Filmeck nicht nur in den Irrungen und Wirrungen, in die der Autor seine beiden Figuren Emmi (Katja Heinrich) und Leo (Harald Schwaiger) wirft. Sondern auch, wie jede(r) Einzelne im Saal eventuelle persönliche Parallelen zum Geschehen auf der Bühne zog.

Der Nordwind im Titel steht für Schlaflosigkeit in der Nacht, gefühlte Kälte und die Rauheit des Lebens. Sie kann schon allein dadurch entstehen, wenn Erwartungen an einen (vermeintlichen) Partner nicht erfüllt werden. Zum Beispiel, wenn eine Email-Antwort drei oder mehr Tage auf sich warten lässt. Warten kann zur nächtlichen Qual werden, die Ungewissheit den Schlaf rauben. So auch bei Emmi und Leo.

Dabei fängt alles ganz harmlos an: Emmis Kündigung eines Zeitschriften-Abonnements landet aufgrund eines Tippfehlers in Leos Email-Postfach. Er antwortet sarkastisch, sie schreibt ebenso zurück. Es ist zu spüren: Hier begegnen sich zwei Email-Schreiber auf Augenhöhe. Ihre Wortwechsel sind lustig, provokativ, fordernd, zynisch - jeweils "einen Halbton von chronischer Ernsthaftigkeit entfernt", schreibt Emmi. Eine wunderbare Formulierung. Die Texte strotzen nur so davon. Und wenn sich Männlein und Weiblein derart begegnen, dann finden sie zwangsläufig Spaß daran und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass daraus frei nach Grillparzer "Der Email und der Liebe Wellen" mehr wird. So auch hier. Die Beiden kommen sich virtuell von Email zu Email immer näher. Sie beginnen, miteinander zu flirten, und bald sind sie miteinander verliebt. Obwohl sie sich noch nie gesehen haben. Der Gedanke an ein Treffen lockt, aber darüber steht die Furcht, den sicheren anonymen Raum zu verlassen und ihn durch eine leibhaftige Enttäuschung zu ersetzen. Hinzu kommt Emmis Bekenntnis, dass sie verheiratet ist und dadurch zusätzlich abgesichert ist. Und Leo leidet noch an seiner letzten, in die Brüche gegangenen Liebe. Aber es ist so schön, in schwelgerischen Träumen zu leben und den anderen gemäß Schiller auch mal zu "prüfen, wer sich ewig bindet" und mit Schweigen an den Rand der Verzweiflung zu bringen. "Schreiben Sie mir, Emmi! Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Diese inständige Bitte Leos spricht für sich. Der begeisterte Beifall für die Geschichte und die formidable schauspielerische Leistung von Katja Heinrich und Harald Schwaiger sprachen jedenfalls für sich.

(bege)
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