Serie Ausprobiert "Willkommen im Jurassic Park"

Wermelskirchen · Bei der Fütterung von 230 Straußen erlebt man, was Futterneid heißt. Wir haben Sascha Richter ein paar Stunden bei der Arbeit auf der Farm in Emminghausen begleitet. Eine Führung zu den Gehegen lohnt sich. Und Zurückbeißen hilft nicht.

 Sascha Richter (l.) und unser Autor besuchen die vier Monate alten Strauße in ihrem Gehege. Die Ställe von älteren Tieren zu betreten, wäre wesentlich gefährlicher.

Sascha Richter (l.) und unser Autor besuchen die vier Monate alten Strauße in ihrem Gehege. Die Ställe von älteren Tieren zu betreten, wäre wesentlich gefährlicher.

Foto: Nico Hertgen

Wermelskirchen Meine erste Frage an Sascha Richter lautet, ob sich zankwütige Strauße auch gegenseitig in ihre Hälse beißen. Schließlich geben diese langen, dünnen Straußenhälse ein optimales Ziel für gegenseitige Beißattacken ab. Richter, dem ich ein paar Stunden bei seiner Arbeit auf der Straußenfarm in Emminghausen helfe, verneint. "Aber sie picken 20.000 Mal am Tag. Alles, was interessant ist, wird angepickt." Nach drei Stunden auf der Farm verzeichne ich einen halbherzigen Kneifer ins rechte Ohr, mehrere Bisse in den linken Schuh, einen Biss in den Hintern und einen in den Zeigefinger der rechten Hand. Alles ohne Grund. Offenbar bin ich wahnsinnig interessant.

Der erste große Strauß, den ich an diesem Morgen kennenlerne, ist Alfred. Alfreds Revier kann Sascha Richter nur betreten, wenn der Vogel gut abgelenkt ist. Ablenkung heißt in diesem Fall: Frühstück. Durch eine Luke, die der 37-Jährige als Einstieg benutzt, erkenne ich ein Straußenhinterteil und einen riesigen gehörnten Fuß. Gegen Alfreds stahlhartes Bein hätte jeder Pirat sein mickriges Holzbein sofort ausgetauscht.

Ich frage Sascha Richter, ob Strauße wirklich so gefährlich sind, wie immer behauptet wird. "Nun ja, Alfred ist halt sehr speziell. Und gefährlich sind Strauße allemal." Ein wütendes Männchen boxt Menschen mit drei bis fünf Tritten pro Sekunde aus dem Leben. Mein Tipp an dieser Stelle: Niemals mit Straußen Fußball spielen. Zurücktreten nützt nämlich nichts.

Die Küken, die grazil aus ihren Strohbetten hüpfen, lenken mich von meinen Grübeleien über Alfred und fußballspielende Strauße ab. Für den guten Start in den Tag verrichten sie ihr Geschäft. Überall.

"Willkommen im Jurassic Park", kündigt Sascha Richter an, als wir vor den Gehegen stehen, in denen die größeren Tiere zu Hause sind. Gegen ein Paar Riesenfüße, das ich durch die Zaunstäbe erkenne, sind Alfreds Krallen Plüschpantoffeln. Mir rutscht das Herz in die Hose. Die vier Monate alten Strauße beraten derweil noch, wer mich als erstes anknabbern darf. "Freunde, ich bin nicht das Frühstück." Das musste gesagt werden.

Beim Fressen rempeln, schubsen und fauchen die Vögel dann energisch. Inzwischen finde ich jeden einzelnen Vogel lustig. Aus manchen Mägen klappert es. Strauße wählen zum Zerkleinern der Nahrung nämlich gerne auch mal einen delikaten Rollkies-Schmaus. Ich habe es wohl mit einer Bande harter Jungs zu tun - der Märchenwolf hatte das Stein-Attentat der sieben Geißlein nicht überlebt.

In einem Gehege, in dem Jung und Alt zusammenleben, bemerkt Sascha Richter sofort, dass ein Jungtier nicht zum Fressen erscheint. Wir entdecken es auf der Wiese, wo es im Sterben liegt. Da müssen wir ran. Vater Strauß will aber nicht, dass wir sein Revier betreten. Also ist Arbeitsteilung gefragt. Ich lenke den Riesenvogel mit Futter ab, Sascha Richter holt das kleine Küken. Nach einem Nottransport zum Kükenstall legt er es zur Genesung unter die Wärmelampe, ahnt jedoch, dass es bald sterben wird. "Da kann man nicht mehr viel machen. Dann müssen wir herausfinden, woran es liegt."

(RP)
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